Wasser-Speier
große Zeitspanne und einen sehr großen Raum zu überprüfen. Das kann langwierig und mühevoll werden.«
»Ich habe schon genug von Langwierigkeit und Mühe!« fauchte Iris. »Dieses ganze Abenteuer ist bisher tödlich langweilig gewesen. Gibt es keine Möglichkeit, die Sache ein wenig zu beschleunigen?«
Mentia blickte nachdenklich drein. »Wenn ich es mir genau übe r lege, muß ich feststellen, daß wir uns in einem Flaschenhals befi n den. Gary ist nämlich der einzige von uns, der die Steinmuster lesen kann. Wenn wir eine Möglichkeit fänden, ihn dabei zu unte r stützen und schneller zu werden…«
»Wie denn?« fragte Iris begierig.
»Ich weiß es nicht genau. Aber vielleicht wäre es ja möglich, die Bilder zu beleben, die Gary beschreibt, damit wir alle sie sehen können. Dann könnten wir ihm auch bei seiner Suche helfen.«
»Beleben?« fragte Hiatus. »Aber wer von uns verfügt denn über eine solche Magie?«
»Iris«, antwortete Mentia. »Ihre gewaltige Illusionskraft kann alles erscheinen lassen.«
»Ja, aber meine Illusionen lassen die Dinge nicht tatsächlich ex i stent werden«, widersprach Iris. »Sie werden einfach nur so, wie ich sie sehe, sei es nun richtig oder falsch.«
»Aber wenn Gary dir eine hinreichend genaue Beschreibung de s sen gibt, was er schaut, damit du es in eine Illusion umsetzt, mü ß ten wir es schaffen. Wir wissen ja selbst, daß es nicht wirklich ist – jedenfalls heute nicht. Aber wenn wir auf diese Weise dafür sorgen könnten, daß wir wenigstens schauen, was in der Vergangenheit geschehen ist und wo der Philter zurückgelassen wurde…«
»Das klingt vernünftig«, bestätigte Iris. »Also gut. Sucht ihr den vollkommenen Stein, dann versuche ich, mich genau genug auf Gary einzuschwingen, um seine Bilder unverzögert in Illusionen umzusetzen. Aber vergeßt nicht – hier im Reich des Wahnsinns neigen meine Illusionen dazu, verkehrt herum herauszukommen. Deshalb werde ich geradezu zwangsläufig einige Fehler machen, bevor ich den Bogen heraushabe.«
Gary gefiel die Sache zwar nicht besonders; aber es hörte sich ganz vernünftig an, so daß er nichts dagegen einwenden konnte.
»Üben wir doch erst mal mit diesem Kiesel«, schlug Iris vor. »Du hast Pflanzen wachsen gesehen? Was denn für welche?«
Gary spähte erneut in den Stein hinein und beschrieb die Pfla n zen. Zuerst erschienen ganz andere Pflanzenarten, weil der Wah n sinn Iris’ Talent verzerrte. Doch sie stieß rasch ein fieses Wort aus und versuchte es noch einmal. Kurz darauf wuchsen, um sie he r um jede Menge hohe Pflanzen, genau, wie der kleine Kiesel sie geschaut hatte. Dann kamen auch die Käfer vorbei und wurden mit einer Einzelheit nach der anderen ausgestattet, je genauer Gary Iris’ Abbilder berichtigte.
»Es funktioniert also«, meinte sie schließlich. »Aber nicht gut g e nug, wie ich finde. Mal sehen, ob wir einander nicht näherkommen können.« Sie legte ihre Hand auf die seine.
»Aber…«
»Im Augenblick steht mir bestimmt nicht der Sinn danach, dich zu verführen. Dafür kann ich aber auf diese Weise mittels deiner Körperreaktionen einige deiner Eindrücke mitbekommen. Das könnte mir dabei helfen, auch ohne große mündliche Berichtigung die gewünschten Abbilder herzustellen. Ich könnte meine Instinkte umgehen, weil diese die Bilder ständig auf den Kopf stellen. Wenn ich mich also ein bißchen genauer auf deine Bilder einschwinge, müßte alles viel deutlicher herauskommen. Illusionen sind mein Beruf, und ich bin sehr gut auf diesem Gebiet, wenn man mich gewähren läßt.«
Also arbeiteten sie weiter daran, und Gary mußte zu seinem E r staunen feststellen, daß Iris recht behielt. Sie war mehr als nur gut – sie war ein wahres Genie der Illusion. Die Fehler wurden immer seltener, bis sie schließlich völlig verschwanden. Jede Einzelheit dessen, was Iris optisch wahrnehmbar machte, entsprach genau der Vorgabe Garys und reagierte auch auf Garys Korrekturen. Wenn er einen verstreichenden Tag beschrieb, bewegten die Scha t ten sich genau wie im richtigen Leben. Schilderte er den Lauf einer Jahreszeit, verloren die Bäume ihr Laub und ließen frische Blätter sprießen. Wenn es regnete und kurzzeitig Bäche vorbeiströmten, erschienen sie in voller Belebtheit in der Szene. Die Illusionsmagie hatte Möglichkeiten, von denen Gary noch gar nichts gewußt hatte – beispielsweise eine dünne Scheibe, die ihm ein durchsichtiges Skizzenbild der Szene auf dem Stein zeigte, ohne
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