Wasser-Speier
Zauberin das Gesicht von der Tonne ab, in der Gary steckte. Er überlegte, daß Iris vielleicht wirklich hatte lugen wollen. In diesem Umfeld geminderter Magie befand sie sich ja ebenfalls in ihrem Normalzustand – was wiederum b e deutete, daß es ihr um die Aufregung und Verantwortungslosigkeit der Jugend zu tun war. Trotzdem benahm sie sich wie eine Mutter, die eine störrische Tochter aufgezogen hatte, indem sie nämlich darauf bestand, daß man nasse Kleider auch zu wechseln habe. Wenn der Wahnsinn sich verstärkte, würde Iris eher wieder wie die Tochter und weniger wie die Mutter werden. Und vielleicht g e schah das sogar in diesem Augenblick, denn Gary konnte erke n nen, wie das Gewitter jenseits des Kreisrandes immer heftiger to b te.
Tatsächlich wehte plötzlich ein scharfer Windstoß durch den Kreis. Er fuhr durch Garys Tonne, als wäre sie gar nicht da, und ließ sein Fleisch bis auf die Knochen gefrieren. Gary begann zu zittern und begriff, daß dies wohl die Reaktion seines Mensche n körpers auf das Unbehagen war.
»Ach, du armes Ding«, meinte Mentia. »Du brauchst eine warme Decke.« Sie löste sich in Dampf auf, der sich wiederum in eine Decke mit strahlenden Polkatupfern verwandelte und dann lan g sam zu Boden sank, um sich mit sehnigen Wellenbewegungen an ihn heranzuschleichen. Die Decke kroch unter die Tonne und wickelte sich um Garys kalten, nackten Leib. Eine ihrer Falten zwickte ihn in den Hintern. Eigentlich wollte Gary protestieren, mußte aber doch einräumen, daß die Decke wirklich eine behagl i che Wärme ausstrahlte.
»Dann brauchen wir die Tonne ja nicht mehr«, sagte Iris verä r gert. Die Tonne verschwand, und nun stand Gary in seine Decke eingehüllt da. »Aber wir müssen diese Kleider trocken kriegen.«
»Wir haben einen Sonnenschirm«, erbot sich Hanna. Und schon erschien ein kleiner, quadratischer Schirm, der matt vor sich hi n leuchtete. Desi nahm ihn auf und stellte ihn an den Rand des Schutzkreises.
»Einen Sonnenschirm?« fragte Gary verwundert. »Was glaubst du wohl, wohin die Sonne sich begibt, wenn sie nicht gerade Dienst tut?« fragte Desi rhetorisch. »Sie zieht sich in ihren Sonnenstand aus Sonnenziegeln zurück und schlürft dort sonnige Cocktails aus Sonnengläsern. Wir haben uns nur das Muster eines ihrer Schirme ausgeliehen. Sie wird es gar nicht vermissen.«
»Ihr könnt euch von der Sonne Dinge ausleihen?« fragte Hiatus, den diese Schilderung ebenso erstaunte wie die anderen.
»Wir Illusionen sind, was Einbildungskraft und ihre Umse t zungsmöglichkeiten angeht, längst nicht so beschränkt wie ihr nichtillusionären Leute«, erklärte Hanna. »Das hier ist natürlich nur eine Illusionskopie des Schirms.«
Garys Decke öffnete einen Mund. »Wie kann denn ein Illusion s schirm echte Kleider trocknen?«
»Es ist eben eine ziemlich starke Illusion«, erläuterte Desi. Dies leuchtete Gary durchaus ein, der sich daran erinnerte, wie Iris’ Ill u sionslampe ja auch wirkliches Licht erzeugt hatte.
Iris zuckte die Schultern und brachte die Kleidungsstücke zum Schirm hinüber. Dann hob sie Garys schlaffes Hemd in die Höhe und streckte es glatt.
Der Sonnenschirm leuchtete auf. Tatsächlich wurde er so hell, daß es schon wehtat, hinzusehen. Deshalb richtete Gary seinen Blick lieber auf das Hemd. Von dem Kleidungsstück stieg Dampf auf.
Da ließ Iris es plötzlich fallen. »Aua!« rief sie. »Ich habe mir die Hände verbrannt!«
»Glücklicherweise ist es schon trocken«, meinte Hanna und nahm das Hemd auf. »Komm und zieh es an, Gary.« Sie stand am Außenrand des Kreises und hielt das trockene Hemd hoch.
»Und wieso kann eine Illusion einen wirklichen Gegenstand au f nehmen?« wollte die Decke wissen.
»Auch wir sind jetzt ziemlich starke Illusionen«, erwiderte Desi und hob die Unterhose auf. Diese hielt sie vor den Sonnenschirm, der sofort wieder aufleuchtete.
Gary ging zu Hanna hinüber. »Oh«, machte die Decke. »Diese Magie ist ja vielleicht stark an ihrem Außenrand! Die ist ja richtig gefährlich.«
»Aber das Hemd ist warm und trocken«, versetzte Hanna und streckte es vor. »Laß mich es dir anlegen.«
Gary baute sich vor ihr auf, ließ die Decke ein Stück herabgle i ten; dann zog Hanna ihm das Hemd erst über den einen, dann über den anderen Arm. Ihre Hände waren fest und sanft.
Inzwischen war auch die Unterhose getrocknet. Sedi brachte sie herüber. Hanna nahm sie entgegen und half Gary beim Ankleiden. »Das ist ja gespenstisch«,
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