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Wasser zu Wein

Wasser zu Wein

Titel: Wasser zu Wein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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ist?«
    Panitz spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. Er hatte nicht den blassesten Schimmer, wovon Corves eigentlich redete – und das sah man ihm wahrscheinlich an.
    Corves runzelte die Stirn. »Willst du seinen Ruin?« Er richtete seine Augen bedeutungsvoll auf den Mann ein paar Fässer weiter vor ihnen, der sein Glas schon wieder geleert hatte. »Nach allem, was er mitgemacht hat?« Dann wandte er Panitz den Rücken zu.
    Der schüttete den Inhalt seines Glases wütend in eines der großen silbernen Auffanggefäße – ihm war der Spaß am Wein vergangen. Fast hätte er sich dabei das weiße Hemd mit Rotwein versaut, weil ihm jemand just in diesem Moment den Ellenbogen in die linke Seite stieß. »Verflixt!« sagte er ärgerlich und drehte sich halb um, um sich bei dem ungeschickten Trottel zu beschweren. Aber dann sah er die leuchtendroten Haare von Karen Stark in der Menge. »Karen!« rief er, hob den linken Arm und grüßte zu ihr hinüber.
    Hinter ihm schrie Susanne auf. »Schhhht«, sagte er und legte ihr beruhigend die Hand auf den Unterarm.
    »Sie haben sich – bekleckert, Herr Panitz.« Er sah ihr in die großen, aufgerissenen Augen – ängstlich sah sie plötzlich aus.
    »Da!« Sie zeigte auf seine linke Seite. Panitz blickte an sich hinunter. Nichts. Dann ließ er seine Augen sein Hosenbein hochklettern. Tatsächlich – dunkle Flecken in der Höhe seines Oberschenkels. Seine schönen anthrazitfarbenen Hosen! Er lüpfte sein Jackett und begutachtete das weiße Hemd über seinem Hosenbund. Ungläubig faßte er sich mit der rechten Hand auf den sich ausdehnenden roten Fleck an seiner Seite. Seine Finger färbten sich rot. Er führte die Hand zur Nase. Der metallische Geruch war unverkennbar. Das war kein Wein. Das war Blut.
    Susanne schrie wieder auf. Lauter diesmal. Das war das letzte, was August M. Panitz hörte, bevor ihn die Übelkeit wie eine alte Wolldecke einhüllte. Er klammerte sich an Susanne. Dann sackte er zusammen.
    Teil IV
    Balthasar

1
    Es war erst sechs Uhr früh, aber Beate saß schon in der Küche, vor sich die Zeitung, daneben einen Becher Kaffee. Es war schon lange nicht mehr vorgekommen, daß er früher auf war als sie – ihre Nächte waren seit Monaten kurz. Heute hatte er ihren Vater schon um vier Uhr rufen gehört. Kosinski hatte auf den Wecker gesehen, nachdem sie aus dem Bett geschlüpft war, und dann alle Gewissensbisse eingestellt, sich auf die andere Seite gedreht und sofort wieder geschlafen.
    Er sah sie prüfend an. Sie hatte Ringe unter den Augen und offenbar schon die dritte Zigarette heute früh geraucht. Kosinski schüttelte den Kopf. Seit wann um Himmels willen zählte er die Kippen in anderer Leute Aschenbecher? Soviel Macht hatte Michaels Gesundheitsterror nicht verdient. Er schlurfte in seinen ausgelatschten Pantoffeln zum Büfett und goß sich einen Kaffee ein.
    Sie hob die Augen nicht von der Zeitung, als er sich neben sie setzte. Er legte ihr die Hand auf den Arm und drückte ihn leicht. »Heiliges Ehrenwort. Heute keine Debatte.« Endlich ließ sie die Zeitung sinken und lächelte ihn an. Ihr elend müdes Gesicht machte ihm wieder Gewissensbisse. Denn die Debatte war dringend nötig. Dringender denn je.
    Seltsam. Wie oft er früher gedacht hatte, daß sie sich doch eigentlich einen ziemlich schlauen Lenz machte, während er das Geld heranschaffte und auch noch Genörgel zu hören kriegte, wenn er Überstunden machte. Thea war das einzige Kind geblieben und das bißchen Kinderbetreuung – das hatte er eigentlich immer für ein Kinderspiel gehalten.
    Dann war Thea aus dem Haus gegangen. Und plötzlich hatten Bücher auf dem Nachttisch neben Beates Bett gelegen, die ihm überhaupt nicht gefallen hatten – er erinnerte sich an einen dieser Schmöker mit einem besonders albernen Titel, irgendwas mit »Bösen Mädchen«. Böse wollte ja heutzutage jeder sein. Und dann war beim Frühstück immer häufiger die Rede gewesen von Selbstverwirklichung und Emanzipation. Das war ihm dann auch wieder nicht recht gewesen. Was wollte sie sich denn mit über vierzig noch groß emanzipieren? Und glaubte sie wirklich, die interessanten Jobs würden ihr nur so zufliegen angesichts der Millionen von Arbeitslosen? Als er ihr damals gesagt hatte, er verdiene genug für zwei und andere brauchten den Arbeitsplatz dringender, den sie plötzlich beanspruchte, waren die Fetzen geflogen.
    »Du hältst mich wohl für deine Putze!«
    »Quatsch mit Soße! Du gehörst zur Kategorie

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