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Wasser zu Wein

Wasser zu Wein

Titel: Wasser zu Wein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Müller-Dernaus überfülltem Keller um so größer gewesen. Er legte die Zeitung beiseite.
    »Und?«
    Kosinski hob die Hände und ließ sie wieder fallen. »Das war alles ein bißchen dilettantisch.« Die Attacke auf von der Lotte war ganz anders gewesen: präzise und klar. Und, vor allem, erfolgreich. »Mir ist die Sache, ehrlich gesagt, ein Rätsel.« Beate ließ sich von ihm Feuer geben. Die vierte Zigarette. Ihm fiel auf, daß ihre Hand zitterte.
    »Mir nicht.« Sie nahm einen tiefen Zug.
    »Ach – ja?«
    »Der gute August hat es doch darauf abgesehen, sie alle gegen sich aufzubringen.«
    »Und deshalb, natürlich …?« fragte Kosinski.
    Beate blies eine Rauchwolke zu ihm hinüber. »Nein, deshalb hat er es sich natürlich nicht selbst zuzuschreiben, wenn ihn jemand umbringen will. Aber man kann sich ja wohl mit kaum etwas unbeliebter machen in einem Winzerdorf als mit der Unterstellung, die Bauern hätten nichts Besseres zu tun als ihre Weine zu panschen und ihre besten Lagen bei jeder sich bietenden Gelegenheit als Bauland zu verscherbeln.«
    »Und weil …?« Kosinski grinste. Er mochte es, wenn sie ihre Meinung so leidenschafdich vertrat. Sie mochte es überhaupt nicht, wenn er ihr das zeigte – mit »diesem paternalistischen Grinsen«, wie sie es nannte. Sie stotterte noch nicht einmal bei diesem blöden Wort.
    »Gregor«, sagte Beate. So sagte sie das nur, wenn es ihr ernst war – wenn sie ihn bloß für einen Wichtigtuer hielt, nannte sie ihn »Commissario«. Kosinski hob, zur Aufgabe bereit, die Hände.
    »August Panitz hat es geschafft, daß alle Winzer in ihm eine existentielle Bedrohung sehen. Die kleinen Winzer, weil er ihnen die Tour mit dem Bauerwartungsland am Titusborn vermasseln will. Und die Winzer mit den guten Lagen und den hohen Qualitätsansprüchen, weil er der Öffentlichkeit immer noch die alten Skandale auftischt, an die auch unsere Weinbaustars langsam nicht mehr erinnert werden möchten.«
    Sie hatte recht. Natürlich hatte sie recht. Aber – Beate knallte ihren Kaffeebecher ungeduldig auf den Küchentisch. »Mein Gott, Gregor. Winzer sind Jahr um Jahr vom unzuverlässigsten Faktor überhaupt, nämlich vom Wetter abhängig – und seit mindestens einem Jahr auch noch von einem Weinkritiker auf Rachefeldzug. Grund, ihn umzulegen, hat hier jeder.«
    »Wieso seit einem Jahr?« Die Skandale, auf die Panitz anspielte, lagen erheblich länger zurück.
    »Aber ihn hat man nicht umgelegt.« Beate nahm einen letzten Zug aus der Zigarette, bevor sie sie ausdrückte. »Sondern von der Lotte. Und das verstehe ich nicht.«
    »Wieso nicht? Der Mann scheint auf seine Weise ebenfalls eine Landplage gewesen zu sein.«
    »Sicher. Aber deswegen …«
    »… deswegen legt man niemanden um, schon recht.« Kosinski zeichnete mit dem Finger Muster in den Kaffeefleck, der aus Beates Becher auf das Wachstischtuch geschwappt war.
    »Seit einem Jahr, sagst du«, fragte er schließlich geistesabwesend.
    »Seit einem Jahr was?« Beate war aufgestanden und drehte ihm den Rücken zu, während sie Kaffeebohnen in die elektrische Kaffeemühle schüttete. Kosinski versuchte das Geräusch des Mahlwerks zu übertönen.
    »Seit einem Jahr ist Panitz auf seinem Rachefeldzug, hast du gesagt«, sagte er mit erhobener Stimme.
    »Schrei nicht so.« Beate hatte die Mühle abgestellt, füllte den frischgemahlenen Kaffee in den Filter und schaltete die Kaffeemaschine an. »Du weißt doch: Vater …«
    »’tschuldigung.« Natürlich wußte er. Vor zwanzig Jahren war es die kleine Thea gewesen, die man nicht stören durfte, und heute war es der alte Mann, der seine Ruhe brauchte. Manches veränderte sich eben nie.
    Beate setzte sich wieder an den Küchentisch und stützte die Ellenbogen auf. »Genörgelt hat er immer. Aber seit einem Jahr ist er richtig in Fahrt.« Sie sah ihn an. »Seit seine Schwester tot ist.«
    Er konnte da beim besten Willen keinen Zusammenhang sehen.
    »Gregor!« sagte Beate. »Eva Lambert! Die Kirche! Der Handgranatenselbstmord!«
    Gregor Kosinski ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken. Natürlich: Eva Lambert war die Schwester von August M. Panitz. Die Selbstmörderin von Lambsheim. Er hatte das vergessen – einfach vergessen. Commissario – du verkalkst, dachte er.
    »Seither reitet er eine regelrechte Kampagne. Als ob er das ganze Dorf zur Rechenschaft ziehen wollte.«
    »Und was hat das ganze Dorf mit ihrem Selbstmord zu tun?«
    Beate sah ihn an, hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.

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