Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wasser zu Wein

Wasser zu Wein

Titel: Wasser zu Wein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
Winzer mit Diethylenglykol im Wein veranstaltet haben.«
    »Frostschutzmittel, du erinnerst dich.« Bremer grinste Karen an, die an Panitz’ Lippen zu hängen schien. Im hingebungsvollen Zuhören war sie Meisterin.
    »Nein!« Panitz klang ungeduldig. »Das war zwar eine schöne Schlagzeile, stimmte aber nicht. Frostschutzmittel nennt sich Ethylenglykol.«
    Er nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas. »Unser deutscher Meister im Glykolpanschen hieß Schepp. Beim Prozeß hat sein Kellermeister die Schuld auf sich genommen. Er habe hiesige Weine mit österreichischem Billigimport verschnitten, und dadurch sei Glykol in deutschen Wein hineingeraten. Schepp habe von nichts gewußt.«
    Panitz schnaubte. »Das war natürlich ein Witz. Schepp hat dem Kerl dafür, daß er log, eine 50prozentige Beteiligung an einer Tochterfirma angeboten – und nach dem Prozeß von diesem Angebot nichts mehr wissen wollen.«
    »Der Kerl heißt Hannes Janz.« Paul nickte zu Karen hinüber. Er hatte ihr auf der Hinfahrt einen Überblick zu geben versucht.
    »Hannes Janz. Der uneigennützige Retter von Schepp. Heute stellvertretender Kellermeister bei Corves junior.«
    »Der im übrigen sehr schöne Weine macht«, sagte Sebastian. Paul erwartete einen Protestschrei. Aber Panitz überraschte ihn.
    »Christoph Corves macht hervorragende Weine. Fast so gute wie Anton Müller-Dernau. Oder Walter Prior. Oder Victor Blasius.« Panitz schwenkte sein Glas und nahm einen Schluck. »Und er macht ehrliche Weine. Nur Handarbeit im Wingert. Kostenintensiv. Der Wein ist jede Mark wert, die er dafür nimmt.«
    Bremer starrte ihn verblüfft an. »Und warum ziehst du ihn dann regelmäßig öffentlich durch den Schmutz?«
    »Damit sie nicht vergessen.« Über das Gesicht von August M. Panitz zog der Ausdruck seelenruhiger moralischer Überlegenheit. »1980 haben schätzungsweise 1800 Winzer von der Flüssigzuckerconnection profitiert. Nur ein Bruchteil davon ist jemals aufgeflogen. Alle anderen haben ihren unlauteren Profit behalten dürfen. Sie fürchten nichts mehr als öffentliche Aufmerksamkeit. Der Name Corves erinnert sie daran, daß sie Verbrecher sind.«
    Karen reihte die Bierdeckel, mit denen sich ihre unruhigen Finger beschäftigt hatten, zu einem Fächer und fächelte sich Luft zu. »Daß es um Geld geht, ist mir klar. Aber wieso die Sache so lange nicht aufgeflogen ist, nicht. Haben all die berühmten Weinnasen von der Panscherei nichts gemerkt?«
    Panitz zuckte mit den Schultern. »Das Zuckern macht manche Weine überhaupt erst genießbar. In anderen Ländern nennt man das Chaptalisieren – in Frankreich ist das durchaus erlaubt. Meinetwegen können sie auch bei uns alles in ihren Wein hineintun« – Panitz klang plötzlich gehässig. »Aber sie verstoßen damit gegen das Gesetz. Gegen ein Gesetz, das sie sich selbst und ihren Funktionären zu verdanken haben.«
    »Aha.«
    Panitz atmete tief durch. »Es ist ganz einfach: Hierzulande ist die Beigabe von Flüssigzucker gesetzlich verboten. Flüssigzucker enthält Wasser. Und der hat im Wein nichts zu suchen.«
    »Aha«, sagte Karen wieder.
    »Und Diethylenglykol ist eine Chemikalie, für die ohne Zweifel spricht, daß sie auch minderwertige Weine nicht nur süßt, sondern im Geschmack verbessert und damit aufwertet. Mit Glykol versetzte Weine haben Auszeichnungen gewonnen – ich weiß, wovon die Rede ist.« Panitz guckte peinlich berührt. Wahrscheinlich, dachte Paul, hatte auch er einen Glykolwein einmal hoch bewertet.
    »Und dagegen spricht?«
    »Das Zeug wird im Körper zu Oxalsäure abgebaut, was zu Nierenschäden und Blasensteinen führen kann. Das ist nicht bloß Zucker oder Wasser, sondern Gift im Wein.«
    Panitz lehnte sich zurück und trommelte mit den Fingern auf den Tisch.
    »Was die meisten Laien nicht verstehen« – er blickte entschuldigend zu Karen hinüber, die verzeihend zurücklächelte: »Flüssigzucker und Glykol machen die Weine nicht schlechter. Sie machen sie im übrigen auch keineswegs nur süßer. Flüssigzucker und Glykol werten minderwertige Weine auf – und das ist für alle Winzer, vor allem nach schlechten Jahren, ein Schluck aus der Pulle, sozusagen.«
    »Für die Zuckerindustrie auch«, sagte Paul »Eine Versuchung, der kaum einer widerstehen kann«, sagte Karen.
    »Exakt. Und die Geschädigten waren übrigens, insbesondere bei der Glykolaffäre, keineswegs die dummen Massen, die glaubten, für einsfuffzig im Supermarkt erstklassige Weine zu bekommen. Im

Weitere Kostenlose Bücher