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Wasser zu Wein

Wasser zu Wein

Titel: Wasser zu Wein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Gegenteil: Es waren die Halbgebildeten, die meinten, mit einer Spätlese für 6 Mark 99 ein Schnäppchen zu machen.«
    Und die Blamierten, dachte Paul, waren damals die Weinkritiker, die bei einer Blindverkostung den Glykolweinen beste Zeugnisse ausstellten.
    »Sie haben fast alle mitgemacht, damals, in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern, nicht nur die lieben Wingartener. Hauptsache, sie kriegten ihre sauren Weine aus dem Keller. Ich werde sie immer daran erinnern.« Panitz klopfte mit der geballten Faust auf den Tisch und sah kämpferisch in die Runde. »Ich werde sie immer daran erinnern, daß die Zeiten der fröhlichen Kellergeister vorbei sind.«
    Sebastian Klar seufzte auf. »Das ist Elitedenken, August. Wer soll sich denn deine hohen Qualitätsstandards leisten können?«
    »Komm mir bloß nicht mit dem alten Sozialarbeiterargument!« Panitz’ Augen blitzten. »›Qualität muß man sich leisten können!‹ Demnächst behauptest du noch, Anstand und Ehrlichkeit seien Tugenden, die nur für Leute gelten, die sich den Luxus erlauben können!«
    Sebastian verdrehte die Augen. »Nun übertreib’s doch nicht so!«
    »Für wen«, fragte Karen vorsichtig, »spielen denn die Skandale der Vergangenheit heute noch eine Rolle?«
    »Na für irgendeinen schon«, antwortete Panitz. »Für den, der mich im Gärkeller von Müller-Dernau eingeschlossen hat. Der mir die Spritzbrühe ins Auto geschüttet hat. Der meinen Nachtisch …«
    »August! Du spinnst!« Sebastian hieb mit der flachen Hand auf den Tisch.
    »Wär’s dir lieber, ich wäre irgend jemandem aus ganz gegenwärtigen Gründen im Wege? Stichwort Titusborn?«
    Paul sah verwundert, wie Klar in sich zusammenzusacken schien. »Geht es da nicht auch um Geld, um viel Geld?« bohrte August. »Um ein gigantisches Geschäft, das man sich nicht von einem Dahergelaufenen wie mir verderben lassen will?«
    Sebastian hatte die Augen gesenkt. »Ich wünschte, du würdest einmal nicht auf Kreuzzug gehen, August. Ich bin es leid. Ich bin es wirklich leid.«
     
    »Er ist wie ein großer Hund, der seine Beute schüttelt und schüttelt und nicht aus den Zähnen lassen kann.« Paul ging vor Karen her und hielt ihr die Türen auf.
    »Kein Wunder, daß sie ihn loswerden wollen«, sagte sie.
    »Glaubst du den Quatsch?« Er hob überrascht den Kopf.
    »Ich weiß nicht.« Ihre Krücken machten ein gedämpftes »Klack!« auf dem Steinboden. »Er läßt sie nicht zur Ruhe kommen. Er läßt die Vergangenheit nicht zur Ruhe kommen. Die Leichen im Keller. Er legt es darauf an, sich unbeliebt zu machen. Aber warum?«
    »Warum er es darauf anlegt oder warum ihn jemand bedroht?«
    »Gute Frage.« Sie lachte. »Vielleicht hängt ja beides gar nicht zusammen. Fakt jedenfalls ist, daß er einen Mann verfolgt der Sünden seines Vaters wegen – obwohl dieser Corves doch offenbar alles daran setzt, die Verfehlungen des Vaters wiedergutzumachen.«
    »Sorge um das Kulturgut Wein?« Paul grinste und hielt Karen die Aufzugstür auf. Sie schwang sich in die Kabine und schüttelte den Kopf.
    »Das glaubst du doch wohl selber nicht.«
    Er drückte auf den Knopf für die 3. Etage.
    »Andererseits: woher der Fanatismus, mit dem dein Freund August auf Kreuzzug geht? Warum wirkt er manchmal fast – verzweifelt?«
    Das war ihm auch aufgefallen – die Verzweiflung unter dem Wahrheitspathos von August Panitz. »Keine Ahnung.«
    Sie schwang sich aus dem Fahrstuhl. »Du kennst deinen alten Schulfreund besser als ich.« Er bezweifelte das.
    Er brachte sie vor die Zimmertür und schloß ihr auf. »Du gehst auf deinen Krücken, als hättest du jahrelang geübt«, sagte er.
    »Das ist noch gar nichts.« Karen küßte ihn auf die Wange. »Du solltest mich in einer Woche erleben. Dann bin ich reif für den Marathon.«

9
    »Du bist lieb.« Sie hatte ihn nicht angesehen, ihm nur die Hand gedrückt, die er ihr auf die Schulter gelegt hatte. Sie hatte vor ihrem Frisiertisch gesessen, die Haarbürste in der Hand. »Soll ich?« hatte er gefragt. Früher hatte er ihr oft das Haar gebürstet, das lange, glänzende, dunkle, duftende Haar, abends, bevor sie ins Bett gingen. In ein gemeinsames Bett.
    »Du bist lieb.« Er wußte, was das hieß. Schon seit einem Jahr hieß es immer das gleiche: »Ich kann jetzt nicht, Sebastian. Heute nicht. Nach allem, was geschehen ist. Jetzt nicht. Das mußt du doch verstehen.« Natürlich verstand er. Immer.
    Er guckte in den Spiegel über dem Waschbecken und bleckte die Zähne zu

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