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Wasser zu Wein

Wasser zu Wein

Titel: Wasser zu Wein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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liebsten.«
    Panitz wiegte den Kopf. »Ich – ziehe die Aufnahme von 1957 unter Serafin vor. Auf der CD klingt sie weichgespült. Aber auf der Platte …« Er legte Daumen und Zeigefinger zusammen und küßte schwungvoll seine Fingerspitzen.
    »Authentisch!« sagte Karen.
    »Genau!« sagte Panitz.
    Bremer wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Und obwohl Karen ihm zwischendrin ein verschwörerisches Lächeln hinüberschickte, besserte sich seine Stimmung nicht. Sie könnte sich wenigstens mal die Fingernägel frisch lackieren, dachte er. Und warum mußte sie so laut lachen. Die Gäste drehten sich schon nach ihnen um.
    »Depressive Verstimmung, Paul?« fragte Panitz nach einer Weile.
    Bremer schaute vom Teller mit den traurigen Überresten einer halben Taube auf. »Das fragst du? Ausgerechnet?«
    August guckte verständnislos.
    »Nach deiner Theorie müßtest du der nächste sein.«
    »Schön, daß du mich daran erinnerst.«
    »Und nach Kosinskis Theorie seid ihr alle Tatverdächtige.«
    »Wer?«
    »Du und Sebastian.«
    »Und warum?« fragte Karen.
    »Lotte schadete dem Geschäft. Er schwärzte die Klars an und machte Panitz unglaubwürdig. Und was ist für einen bekannten Weinkritiker schon wichtiger als sein Renommee? Also: Mord …«
    »So ein Blödsinn.« Panitz schob den Teller von sich.
    Bremer zuckte mit den Schultern. Er war ja nur der Überbringer der Botschaft. »Die Alternative ist Sebastian.«
    Karen legte ihm die Hand auf den Arm. »Klar ist mit etwas anderem beschäftigt als mit dem Meucheln von Lebensartjournalisten.«
    »Und womit, bitte schön?«
    »Der Mann hat Liebeskummer.«
    »Der Mann ist verheiratet«, sagte Panitz.
    »Männer!« Karen blickte von einem zum anderen. »Manchmal seid ihr aber wirklich schwer von Begriff. Man kann auch in die eigene Frau unglücklich verliebt sein. Oder ist euch wirklich nicht aufgefallen, wie er ihr hinterhersieht? Wie sie sich ihm entzieht? Wie er sich um sie bemüht?«
    Karen rückte das Salzfäßchen auf dem Tisch zwei Zentimeter nach links und seufzte auf. »Männer«, sagte sie noch einmal. »Ihr seht immer nur die materielle Seite aller Konflikte. In eurer Welt morden Menschen für Geld, Ruhm, Macht. In der wirklichen Welt sind es Gefühle, die töten.«
    »Versteh ich nicht«, sagte Paul. Maximilian von der Lotte? Gefühle?
    »Macht nichts«, sagte Karen. »Das kommt noch.«

10
    Sebastian hörte sie tuscheln und spürte ihre Blicke. Er wußte, warum die meisten von ihnen heute abend hier waren. Es waren Schlachtfeldtouristen. Leute, die bei Großbränden der Feuerwehr im Weg standen. Und die bei schweren Unfällen auf der Autobahn die Gegenfahrbahn versperrten, weil sie gaffen mußten. Aber sie alle ließen ihn kalt – es gab Wichtigeres. Elisabeth.
    Immer wieder ging sein Blick durch den Raum, das war ihm in Fleisch und Blut übergegangen: von links hinten am Fenster bis rechts neben der Eingangstür. Kein Gast sollte in der »Traube« übersehen werden, hatten Elisabeth und er sich geschworen, eines Abends vor vielen Jahren nach einem harten Tag. Früher hatten sie sich darin abgewechselt, aber seit Wochen, seit Monaten machte er abends allein seine Runde. Er nickte hinüber, dorthin, wo Bremer und Panitz und die Staatsanwältin saßen. Er hatte ihnen extra einen Tisch hinstellen lassen, sie hatten ja nicht wissen können, daß das Restaurant seit heute mittag ausgebucht war.
    »Es ist wieder mal ganz wunderbar gewesen.« Die Gattin eines Frankfurter Rechtsanwalts – silbernes Haar, saß wie angegossen – blickte fast schwärmerisch zu ihm hoch. Der Gatte assistierte. »Wenn es nach mir ginge, hätten Sie zwei Michelin-Sterne verdient«, sagte er mit Blick auf Panitz ein paar Tische weiter.
    Sebastian neigte dankend den Kopf. Seit überall behauptet wurde, er verdanke seinen Stern nur der Protektion seines Freundes, fühlten sich seine Gäste offenbar aufgerufen, sich als Restaurantkritiker zu betätigen. Er ging einen Schritt weiter, hob den Finger ans Ohrläppchen und nickte seinem Sommelier zu. Dem war das Signal vertraut – das hieß, daß er dem Paar einen Digestif servieren sollte, auf Kosten des Hauses.
    Klar ging weiter. Wohlwollend nach rechts und links lächeln konnte er mittlerweile vollautomatisch. Sein Kopf war mit anderem beschäftigt. Er konnte es nicht mehr leugnen: Elisabeth wich ihm aus – immer häufiger und immer offenkundiger. »Laß mich doch endlich in Ruhe!« hatte sie vorhin gerufen, als er ihr besorgt den Arm um

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