Wassergeld
Tür reinkam.«
»Ach so, ja, richtig, Frau Wagner. Das LKA hat angerufen. Sie wollen einen Profiler schicken, der eine operative Fallanalyse durchführen soll. Das habe ich selbstverständlich sofort abgelehnt. Der würde sowieso bloß in der Ecke sitzen und nachdenken. Diese Typen haben keine Ahnung, wie es bei der Polizei wirklich zugeht. Was die können, können wir schon lange und dazu viel besser.«
Den ungewollten Fauxpas, den er gerade losgelassen hatte, bemerkte er nicht.
Unser Chef schielte auf die Brötchenplatte, konnte sich jedoch nicht entscheiden. »Wir machen jetzt zusammen ein Brainstorming. Das habe ich auf der Polizeischule gelernt. Jeder darf Ansichten zu dem Fall äußern, egal, wie redundant sie scheinen mögen. Am Schluss diskutieren wir über die Aussagen und Sie werden sehen: Wir kommen der Lösung auf die Spur. Auf der Polizeischule hat das jedes Mal funktioniert. Lassen Sie uns beginnen. Frau Wagner, wären Sie so freundlich, alles zu notieren?«
Jutta nickte und blätterte ihren Notizblock auf, den sie meistens dabei hatte.
»Also los. Wer will anfangen? Derjenige, der den Fall löst, bekommt von mir einen Restaurantgutschein.«
Hoch motiviert, wie ich durch die Auslobung des Preises war, lehnte ich mich zurück und wartete ab.
»Ich denke, die Erpresser haben bemerkt oder vermutet, dass in der Kiste kein Geld ist«, sagte Gerhard. Es waren die ersten Worte, die ich heute von ihm hörte.
KPD nickte anerkennend. »Das ist ein guter Anfang. Die Menge der eingeweihten Personen ist begrenzt und daher leicht zu überprüfen. Machen wir weiter. Wer hat noch eine Idee?«
Jutta wollte gerade beginnen, stoppte jedoch nach der ersten Silbe.
»Nur Mut, Frau Wagner, nur Mut. Denken Sie an den Gutschein.«
»Es ist nur ein dummer Gedanke. Vielleicht geht es denen gar nicht um das Geld.«
KPD hatte sich aus der gleichen Kaffeekanne wie Gerhard bedient und japste nach dem ersten Schluck nach Luft. Sekundentod, hätte ich ihm vorher sagen können.
»Wenn nicht wegen des Geldes, weshalb denn dann?«
»Hass auf die Campingplätze, Hass auf Altrip oder Waldsee, was weiß ich. Ein krankes Hirn kommt auf die abscheulichsten Ideen.«
»Das müsste dann ein ganzes Rudel kranker Hirne sein«, warf ich ein. »Das war nicht die Tat eines Einzelnen.«
»Ich sagte ja, es war nur ein dummer Gedanke. Du hast bestimmt eine bessere Idee, Reiner, stimmt’s?«
Bumm, jetzt saß ich in der Falle. Alle sahen mich hoffnungsvoll an, so als könnte nur ich die Lösung des Falles präsentieren. Spontanität will wohlüberlegt sein, war normalerweise mein Leitspruch, doch Zeit zum Überlegen hatte ich nicht in ausreichendem Maße. Genüsslich grinsend schnappte ich mir ein mit Eierscheiben belegtes Brötchen und biss hinein. Die Spannung stieg ins Unermessliche, würde Dietmar Becker in seinen Kriminalromanen schreiben.
KPD rutschte nervös auf seinem Sitz herum. »Sie wissen wirklich, wer der Täter ist, Herr Palzki?«
Das war mal wieder ein Musterbeispiel für das Entstehen von Gerüchten. Jutta setzte eine unverbindliche These in die Welt und die Zuhörer nahmen diese sofort als unumstößliche Tatsache an.
»Wie man es nimmt, man macht sich halt so seine Gedanken«, schraubte ich die Spannung noch etwas hoch. »Für mich stehen die Übeltäter längst fest.«
Unser Chef ließ vor Aufregung fast seine Brötchenhälfte fallen. »Ja? Sagen Sie doch endlich!«
»Zuerst muss ich mich absichern. Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir im Moment nur ein Brainstorming machen. Alles, was hier gesagt wird, entspricht folglich nicht dem Tatbestand einer falschen Beschuldigung. Stimmen Sie mit mir darin überein?«
»Ja, ja, natürlich. Ich drehe Ihnen keinen Strick daraus, wenn Ihre Vermutung nicht stimmen sollte. Legen Sie doch endlich los, Herr Palzki«, bettelte er.
»Im Grunde genommen hätten Sie selbst drauf kommen können. Wer kommt denn alles in Betracht, in den letzten Stunden bis zur Kiste vorgedrungen sein zu können?« Mit dieser Frage dehnte ich den Spannungsbogen. Dietmar Becker könnte von mir noch einiges lernen.
»U-Boot? Taucher? Was weiß ich!« KPDs Stimme schien sich fast zu überschlagen. Jetzt war der richtige Zeitpunkt, meine Lösung zu präsentieren.
»Was halten Sie von dem Bergungsunternehmen? Dieser Drexler und seine beiden Taucher hatten und haben alle Möglichkeiten, um an die Kiste zu kommen.«
»Aber, aber«, stotterte unser Chef, »die Taucher haben doch nichts
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