Wassergeld
wenigstens einen Schritt voraus. Das Motiv, ja, das müssten wir in Erfahrung bringen. Gleich nachher würde ich mit Jutta und Gerhard darüber reden müssen.
Inzwischen hatte ich mich an das leichte Schaukeln auf dem Wasser gewöhnt. Nur ein- oder zweimal, als ein Sportboot trotz Verbot an uns vorbeiraste, spürte ich den anschließenden Wellengang im Magen und in der Speiseröhre. Ich beobachtete eine Weile den dahinfließenden Strom, bis mir langweilig wurde. Dann drehte ich mich zu Herrn Strommeier um, der in ein Taschenbuch vertieft war. Er las tatsächlich einen Krimi von Dietmar Becker. Wahrscheinlich hatte er das Buch von ihm bei seinem letzten Treffen geschenkt bekommen. Ich hatte Beckers Romane bereits gelesen und fand sie sehr wirklichkeitsfremd. Solch einen Kommissar, wie der Student ihn beschrieb, und auch die anderen skurrilen Gestalten, nein, so etwas gab’s im wirklichen Leben nicht.
»Herr Strommeier? Entschuldigen Sie bitte, ich hätte da noch eine Frage.«
Er klappte das Buch zu. »Nur zu. Es wird zwar gerade spannend, also ich meine im Buch, aber stellen Sie nur Ihre Frage.«
»Wo ist denn Ihr Kollege Schliefensang? Ich hätte vermutet, dass er sich die Suche nach der Kiste nicht entgehen lässt.«
Der Chef der Wasserschutzpolizei steckte das Buch in seine Umhängetasche. »Das wüsste ich auch zu gerne, Herr Palzki. Wir hatten fest vereinbart, dass er mitkommt. Als er nicht kam, versuchte ich, ihn telefonisch zu erreichen. Er nahm aber nicht ab. Ich kenne ihn zwar erst wenige Wochen, doch bisher war er immer sehr zuverlässig gewesen. Warten wir erstmal ab, vielleicht gibt es eine einleuchtende Erklärung.«
Meine Rettungsweste fing an, zu zwicken. Außerdem wurde es allmählich kälter, was vermutlich an dem Wind lag, der uns inzwischen deutlich stärker um die Ohren pfiff.
Strommeier griff in seine Tasche. »Das hätte ich fast vergessen, diese Liste soll ich Ihnen geben.«
Er reichte mir ein Blatt Papier, auf dem ungefähr 20 Vornamen, in der Mehrheit weibliche, standen. Hinter jedem Namen war eine Uhrzeit vermerkt.
Stirnrunzelnd fragte ich: »Ist das das Geburtsregister der letzten Nacht?«
Er scherzte. »Na ja, so viele aktuelle Modenamen stehen nicht auf dieser Liste.«
Das war mir ebenfalls aufgefallen. Walburga, Brunhilde oder Wilhelmine, wer würde heutzutage sein Kind auf diese Namen taufen?
»Seien Sie froh, dass Drexler Ihre Frage nicht gehört hat. Die Tabelle verzeichnet die Namen aller Frachter und Schiffe, die seit dem Abwurf der Metallkiste hier vorbeigekommen sind. Ihr Chef, Herr Diefenbach, bat uns, das Dokument anzufertigen. Meine Mitarbeiter haben die ganze Nacht patrouilliert und die Namen aufgeschrieben. Die meisten Schiffe werden auf weibliche Namen getauft, das soll angeblich Glück bringen.«
Ich steckte die Liste ein und hatte keine Ahnung, was KPD damit bezwecken wollte. Vielleicht vermutete er, dass einer dieser Frachter ein Mini-U-Boot an Bord hatte? Ich wusste bereits, dass dies nicht möglich war.
Die Kajütentür ging auf und Drexler kam heraus. »Sie kommen jetzt hoch«, meinte er und schaute über den Rand des Schiffes. Keine fünf Sekunden später kamen die beiden Taucher fast zeitgleich zum Vorschein. Ihr Chef ließ ein dickes Seil ab, an das sie einen Teil ihres Equipments banden. Kurz darauf standen sie an Bord und nahmen ihre Masken ab.
»Da unten ist nichts außer Kies, Chef«, sagte einer der Taucher mit einem fülligen Freddie-Mercury-Schnauzer. »Wir fanden nicht den kleinsten Hinweis auf die Kiste. Nicht einmal ein Abdruck im Kies, wo sie gelandet sein könnte. Ist es sicher, dass wir an der richtigen Stelle sind?«
»Spinn nicht herum, Joe«, fuhr ihn Drexler an. »Natürlich sind wir hier richtig. Habt ihr auch die Ränder abgesucht?«
»Klar doch, Chef«, antwortete der Kleinere und Schmächtigere, der keinen Schnauzer trug. »Wir haben sogar neben der Fahrrinne nachgeschaut. Da ist wirklich nichts. Es gibt auch keinen Hinweis, wo diese verdammte Kiste versandet sein könnte.«
Markus Drexler schaute erst Strommeier, dann mir in die Augen. »Sie haben es gehört, der Rhein hat einen neuen Nibelungenschatz. Wenn Sie nicht aufpassen, werden bald die ersten Schatzsucher hier sein.«
Strommeier besprach sich noch ein paar Minuten mit Drexler, bevor er das Polizeiboot losband und seinem Bootsführer ein Zeichen gab, zurückzufahren. Nachdenklich schaute ich vom Heck des Bootes zurück zu dem kleiner werdenden Bergungsschiff. Ich hatte
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