Wassergeld
er, als er vor uns stand. »Ben wurde in der Halle ermordet, das habe ich Ihnen doch vorhin gesagt.«
»Sie haben uns auch erzählt, dass Ihr Steuermann den Schiffsführer gefunden hat. Wieso ist er dann nicht da und wie heißt er überhaupt?«
»Ach, hatte ich das nicht erwähnt? Sein Name ist Alexander von Welchingen. Ich muss gestehen, ich habe ihn heute selbst noch nicht gesehen. Er hat mich zu Hause angerufen und mir von der Ermordung Bens erzählt. Als ich hier ankam, war Alexander verschwunden. Dafür fand ich den toten Ben und habe sofort die Polizei verständigt.«
Jutta notierte eifrig seine Aussage. »Von diesem von Welchingen brauchen wir die Anschrift. Am besten gleich von allen Ihren Mitarbeitern.«
»Mann oh Mann«, erwiderte Linde ironisch. »Sie arbeiten aber gründlich. Meine Mitarbeiter werden erfreut sein, in einen Mordfall hineingezogen zu werden.«
»Darauf können wir leider keine Rücksicht nehmen, Herr Linde. Wir verdächtigen im Moment auch nicht Ihre Mitarbeiter, es geht uns bloß um wichtige Zeugenaussagen. Ihre Leute können uns bestimmt sagen, was Kocinsky in letzter Zeit so alles gemacht hat.«
»Ja sicher«, nickte der Geschäftsführer. »Ich gebe Ihnen nachher gleich die Adressen mit. Es sind ja nicht so viele.«
8. Eine kleine Überraschung
Jutta zeigte auf die geschlossene Luke. »Warum ist da zu?«
Linde schaute verstört. »Das ist in der Tat seltsam. Die leeren Tanks bleiben normalerweise geöffnet, damit sich keine Gase in gefährlichen Konzentrationen bilden können. Es gibt zwar Entlüftungsanlagen, die offenen Luken sind aber zusätzlich vorgeschrieben. Lassen Sie mich mal dran.«
Wie ein Korkenzieher schraubte er sich Richtung Boden und drehte ein tellergroßes Handrad. Nach einigen Umdrehungen öffnete er mit ein wenig Kraftanstrengung die Luke und schaute in das Loch.
»Seltsam«, sagte er. »Der Tank ist zu etwa einem Fünftel mit Diesel gefüllt. Das kann doch gar nicht sein. Diesel hatten wir schon seit Wochen nicht mehr geladen.« Er schaute uns an. »Haben Sie schon in die anderen Tanks geschaut?«
»Die sind leer, Herr Linde«, antwortete meine Kollegin. »Was kann das bedeuten?«
»Ich weiß es nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ben nebenbei eigene Geschäfte machte. Das geht gar nicht. Für Kraftstoffe gibt es keinen freien Markt. Außerdem würde so etwas sehr schnell auffallen.«
Ich ging in Richtung Kajüte. »Dürfen wir da mal reinschauen?« Ohne auf eine Antwort zu warten, öffnete ich die Tür. Erschrocken blieb ich stehen. Durch Lindes Büro hätte ich vorgewarnt sein müssen. Hier sah es aus wie nach einem Bombenangriff und das lag nicht an dem versifften Mobiliar. Rund zwei Dutzend Aktenordner lagen verstreut auf dem Boden, ein vermutlich ehemals überquellender Mülleimer sah aus, als hätte ihn jemand wie einen Fußball durch den Raum gekickt. Zwei Glasbilder lagen zerbrochen auf einem Tisch.
Norbert Linde schaute mir von hinten über die Schulter. »Das gibt’s ja nicht!«, donnerte er. »Da hat jemand die Kajüte durchsucht. Lassen Sie mich mal durch.«
»Langsam, Herr Linde«, intervenierte Jutta. »Da müssen zuerst die Spezialisten rein. Was könnte jemand in diesem Raum gesucht haben?«
»Nichts«, war die sofortige Antwort. »Hier gibt es nichts, für das sich ein Einbruch lohnen würde. In den Ordnern sind die Zulassungspapiere für den Frachter, das Schiffsführerpatent und Informationen zu den jeweils aktuell geladenen Gütern abgeheftet.«
Wir beließen die Kajüte, wie sie war, und gingen zum Heck des Frachters. Dort führte eine schmale Wendeltreppe aus Gusseisen nach unten.
»Wo geht’s da hin?«
»In den Maschinenraum und zu den Revisionsräumen. Passen Sie auf, wenn Sie runtergehen. Dort ist es etwas schmutzig.«
Wenn Linde von ›etwas schmutzig‹ sprach, dann mussten da unten katastrophale Bedingungen herrschen. Doch es half alles nichts. Mein Bauchgefühl hatte mal wieder wie eine Wünschelrute im Ozean ausgeschlagen. Ich musste da runter. Vorsichtig bemüht, ja nicht mit meiner Jacke an den Wänden oder am Geländer anzustoßen, stieg ich hinab. Linde und Jutta folgten mir. Es wurde recht schnell dunkel, und der Geschäftsführer betätigte einen Lichtschalter. Eine ganze Reihe Leuchtstofflampen flammte auf. Nach gut zwei Umdrehungen hatten wir den Boden des Frachters erreicht. Ein gewaltiger Schiffsmotor nahm den zentralen Teil des Raums in Anspruch. Direkt am Heck befand sich ein mehrere
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