Wassergeld
Allerdings hatte ich meine Aufklärungskampagne spontan geändert.
»Wer war das?«, fragte ich und hoffte, dass es möglichst vorwurfsvoll klang.
Sie ging darauf ein. »Das ist nur ein Freund von mir. Sie brauchen keine Bedenken zu haben, er ist diskret.«
»Okay, wie Sie meinen. Dann erklären Sie mir bitte mal das Projekt.«
Sie stutzte. »Wie soll ich das verstehen, Herr Bauer? Sie wollten doch die Unterlagen mitbringen!«
Dumm gelaufen, jetzt konnte ich meine wahre Identität nicht länger verschleiern. »Ich bin nicht Herr Bauer, Frau Kocinsky. Mein Name ist Palzki. Reiner Palzki.«
Erschrocken zuckte sie zusammen. Sie faltete den Plan, der auf dem Tisch lag, rasch zusammen. »Um Himmels willen, wer sind Sie dann? Unser Geschäft hat sonntags geschlossen.«
»Ich komme nicht wegen Ihres Immobiliengeschäftes. Ich komme wegen Ihres Mannes.«
Sie steckte den Plan in einen Schrank und schloss ihn ab. »Sie kommen wegen Ben? Was hat er diesmal ausgefressen?«
»Ihr Mann ist tot.«
»Tot?« Sie suchte an der Stuhllehne Halt und ließ einen spitzen Schrei los. »Wie meinen Sie das? Wer sind Sie überhaupt?«
»Ich bin von der Polizei. Tut mir leid, aber ihr Mann wurde eiskalt abgemurkst.«
In jeder Kriminalinspektion gab es Beamte, die für die Überbringung von Todesnachrichten psychologisch besonders geschult waren. Doch was wollte man machen, wenn solch ein Beamter gerade nicht verfügbar war? Zum Glück war ich durch meine jahrelangen Erfahrungen mit diesen Dingen dennoch für solche Botschaften sensibilisiert. Ich konnte sie den Hinterbliebenen feinfühlig übermitteln.
Der Manschettenknopfsucher kam herbeigestürmt. »Ist was, Schatz? Ich habe dich schreien hören.«
Die Dame des Hauses zitterte am ganzen Körper. Ihr Freund half ihr auf einen Stuhl. Dabei ließ er mich nicht einen Augenblick aus den Augen.
»Was haben Sie mit ihr gemacht?«, fauchte er mich an und wollte auf mich losgehen.
»Lass ihn in Ruhe«, flüsterte sie. »Er ist Polizist. Ben ist tot!«
Er hielt inne. »Dein Mann ist tot?«
Sie nickte fast unmerklich.
»Wie ist das passiert?«
»Beruhigen Sie sich, ich werde Ihnen alles erzählen. Hätten Sie vorher die Freundlichkeit, sich vorzustellen? So ganz komme ich im Moment nicht mit.«
Johanna Kocinsky stand auf, ging mit wackligen Beinen zu einer Kommode und schenkte sich ein Glas Wasser aus der bereitstehenden Karaffe ein. »Sein Name ist Hieronymus Windler, Herr Palzki. Er ist mein Freund. Bevor Sie jetzt auf falsche Gedanken kommen: Ben und ich führen – Verzeihung, führten eine offene Partnerschaft. Vor einem halben Jahr ist er ausgezogen. Das hatte nicht zwangsläufig endgültigen Charakter, er hatte schon öfter für eine Zeit lang woanders gewohnt. Gewöhnlich, wenn er ein neues Flittchen aufgegabelt hatte. Da ich aber so gutmütig bin, habe ich ihm jedes Mal verziehen. Ich bin ja selbst nicht die Treue in Person.«
Hieronymus Windler ging zu ihr und streichelte ihren Kopf.
»Lass das«, bügelte sie ihn ab. »Ich hatte eine Schwäche für Ben. Schon seit wir Klassenkameraden waren.«
Jetzt wirkte sie nachdenklich. »Wie ist er denn gestorben?«
»In der Halle seines Arbeitgebers hat ihm jemand eine Eisenstange übergezogen. Wir wissen noch nichts Näheres. Vielleicht haben Sie eine Ahnung?«
»In der Firma? Was wollte er dort? Meines Wissens ist er seinen Frachter niemals an einem Sonntag gefahren. Das war so eine Marotte von ihm. Fragen Sie mal diesen Norbert Linde, der war sein Chef. Das ist vielleicht ein schräger Vogel. Allein schon wie er sich fortbewegt. Im letzten Jahr bei der Weihnachtsfeier hat er mich gegen meinen Willen angebaggert, als er voll war. Ben hatte ihm daraufhin kräftig die Meinung gegeigt. Da fällt mir etwas ein. Irgendwann einmal hat Ben zu mir gesagt, dass der Norbert ihm aus der Hand frisst. Er hätte da einiges über ein paar Geschäfte erfahren, die nicht so ganz hasenrein gewesen sein mussten. Genaueres kann ich Ihnen dazu nicht sagen.«
Ich wandte mich Hieronymus Windler zu. »Kannten Sie den Mann Ihrer Freundin persönlich?«
»Sind Sie verrückt? Natürlich nicht! Er selbst hurte überall in der Gegend herum, seiner Frau dagegen gönnte er nicht die kleinste Freude. Johanna kann froh sein, dass er ausgezogen ist.« Im selben Moment bemerkte er seinen Fauxpas. »Tut mir leid, Johanna, das habe ich nicht so gemeint.« Und zu mir sagte er: »Ich kenne von Ben nur die Fotos, die da vorne auf dem Regal stehen.«
Ich schaute
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