Wassergeld
Jutta. »Könnte es vielleicht doch ein kleines U-Boot sein?«
Der Beamte hatte meine an Jutta gerichtete Frage mitbekommen. »Wohl zu viel James Bond geschaut? Vergessen Sie es. In einer Stunde wissen wir mehr, dann sollte der Taucher bereit sein.«
Noch eine Stunde in der Kälte warten? Ich hatte die rettende Idee.
»Jutta, was hältst du davon, wenn ich in der Zwischenzeit zu Frau Kocinsky fahre? Du kannst dich so lange mit Herrn Linde in seinem Büro unterhalten. Vielleicht hat er sogar erste Unterlagen für uns zur Hand?«
9. Besuch beim Drachen
Da auch der Geschäftsführer einverstanden war, gingen wir wieder in sein Büro. Bevor ich mich vorläufig verabschiedete, ließ ich mir von Jutta den Autoschlüssel und von Herrn Linde die Adresse Frau Kocinskys geben.
»Viel Spaß, Herr Palzki«, wünschte er mir zum Abschluss. »Bens Frau ist ein richtiger Drache, passen Sie auf, dass Sie sich nicht verbrennen, wenn sie Feuer spuckt.«
Jutta wirkte etwas nachdenklich, als sie mich mit ihrem Autoschlüssel verschwinden sah. Ich machte mir keinerlei Gedanken darüber, was der Grund dafür gewesen sein konnte.
Vielleicht lag es daran, dass sie mir nicht zutraute, ihren Wagen zu fahren? Nein, ich fuhr ja den gleichen Typ. Und meine Fahrweise war stets angepasst und vorsichtig. Es musste einen anderen Grund für ihre Nachdenklichkeit geben. Doch so sehr ich auch überlegte, ich kam nicht darauf.
Inzwischen wurde es dunkel und leichter Nieselregen setzte ein. Ich hasste es, im Dunkeln und bei Regen Auto fahren zu müssen. Verschärfend kamen um die Weihnachtszeit die Lichterketten hinzu, die alle naselang an Bäumen, Geschäften und sonst wo hingen. Zusammen mit dem Regen blendete mich das ganze Zeug so richtig unangenehm. Doch es half nichts, ich musste über die Konrad-Adenauer-Brücke nach Mannheim in die Innenstadt. Glücklicherweise war Sonntag und die Geschäfte hatten geschlossen, sodass ich ohne Stau zur Tiefgarage am Paradeplatz gelangte.
Ben und Johanna Kocinsky wohnten im Quadrat D1 direkt am Paradeplatz. Die Hausnummer fand ich an einem Eingang neben der Sparkasse. ›Kocinsky‹ las ich und eine Zeile darüber stand an dem gleichen Klingelknopf in doppelt so großer Schrift ›Metropolregion Immobilien‹. Ich betätigte die Klingel, bis mir der Türsummer Eintritt verschaffte. Einer Hinweistafel im Flur entnahm ich, dass sich ›Metropolregion Immobilien‹ im ersten Obergeschoss befand. Die Frau, die in der Tür stand, hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit einem Drachen. Sie sah aus wie ein Mannequin und war auch so angezogen. Ihre langen braunen Haare hatte sie zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengebunden, der ihr bis zur Taille reichte. Ich schätzte sie auf höchstens 30 Jahre. Sie schaute freundlich, ja fast erwartungsvoll zu mir, was mich im ersten Moment irritierte.
»Da sind Sie ja endlich«, begrüßte sie mich mit einer zuckersüßen Stimme, bei der wohl so mancher Mann hinwegschmelzen würde. »Kommen Sie rein, ich bin schon sehr gespannt.«
Bevor ich den offensichtlichen Irrtum aufklären konnte, war sie durch die Tür verschwunden. Ich folgte ihr und stand nun im Flur einer gehobenen, repräsentativ eingerichteten Wohnung. Hier würde ich mit Sicherheit keine Ikea-Regale finden, dachte ich mir, und schaute mich um. Auch wenn ich kein Fachmann war, es schien kein Möbelstück jünger als 100 Jahre zu sein. Trotzdem roch es frisch und nicht nach Museum.
»Kommen Sie doch ins Büro durch«, flötete die Dame des Hauses durch eine offene Tür aus dem Nachbarzimmer. Ich folgte ihrer Stimme. Im Gegensatz zum Flur war hier alles topmodern und mit sauteuren Designerstücken eingerichtet. Frau Kocinsky stand vor einem Tisch, auf dem ein großer Plan lag.
»Möchten Sie einen Prosecco, bevor wir anfangen?«
Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als ein Mann in der Tür auftauchte. Im ersten Moment dachte ich, Karl Lagerfeld zu erkennen, doch er war um das eine oder andere Jahrzehnt jünger. Auch seine Aussprache war nicht so pikiert, sondern eher klar und sachlich.
»Hanna, Liebes, weißt du, wo meine Manschettenknöpfe sind?« Jetzt erst hatte er mich wahrgenommen. »Oh Verzeihung, du hast ja Besuch.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich einen Termin wegen unseres neuen Immobilienprojektes habe. Du musst dich noch ein bisschen gedulden, bis ich Zeit für dich habe.«
Nachdem der Manschettenknopfsucher wieder verschwunden war, konnte ich endlich zu Wort kommen.
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