Wassergeld
anschließend den Steig nach unten. Nachdem ich meine Schuhe wieder angezogen hatte, untersuchte ich das Werk der Gauner. An der Stelle, an der ein Versorgungsrohr in den Tank mündete, waren rundherum mehrere Sprengstoffstangen mit Isolierband befestigt. Der Sinn war mir sofort klar: Der Tank war vermutlich aus einem stabilen Material, vielleicht sogar doppelwandig. Die Rohreinmündung war sicherlich seine Schwachstelle.
Drähte führten von jeder Sprengstoffstange in die Kiste, die am Boden stand. Verblüfft sah ich auf der Kiste ein Handy liegen. Mit einem Blick erkannte ich, dass es ausgeschaltet war. Bestimmt hatte es einer der beiden Erpresser verloren. Dies würde ein weiterer Beweis für ihre Täterschaft sein. Ich steckte das Handy in meinen Mantel und fuhr mit meiner Untersuchung fort. In der logischen Konsequenz war ich mir einigermaßen sicher, akut nicht gefährdet zu sein. Ansonsten wären die beiden Gauner nicht zurück in das Gebäude gegangen, sondern schleunigst verduftet.
Im Fernsehen sah man häufig, dass der Retter während des Showdowns vor einem Zünder saß und nicht sicher war, welches der vielen bunten Kabel, die aus einem Gerät herauslugten, in welcher Reihenfolge durchtrennt werden musste. Ich wusste es besser: Solange es kein Zündsignal gab, war es egal, welcher Draht zuerst durchtrennt wurde. Jedenfalls hoffte ich in diesem Moment, dass ich es besser wusste. Jetzt oder nie, dachte ich und umgriff das Bündel Drähte, das übrigens komplett einfarbig war. Ein erstaunlich leichter Zug genügte, um die Drähte aus der Zündanlage herauszuziehen. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, dachte ich und atmete auf, als ich feststellte, dass ich noch unter den Lebenden weilte.
Ich musste auf Nummer sicher gehen und schnappte mir deshalb den Behälter mit dem Zünder. Die Sprengstoffstangen ließ ich an Ort und Stelle. Zum einen waren sie ohne Zünder harmlos, wenn man sie nicht gerade aufaß, zum anderen waren sie mit hartnäckig klebendem Isolierband befestigt. Die Kiste mit dem Zünder wog bestimmt zehn Kilogramm, ein beträchtlicher Teil davon dürfte einer Batterie geschuldet sein, die für das Zündsignal zuständig war. Zur Sicherheit nahm ich den gleichen Weg, auf dem ich hergekommen war. Immer noch sah ich keine Menschenseele. Wo die sich nur alle herumtrieben? Egal, ich erreichte das Ufer und versenkte die Kiste zwischen Kai und Frachter im Rhein.
Zufrieden lächelnd gönnte ich mir eine weitere Verschnaufpause. Die Welt, oder zumindest die Metropolregion Rhein-Neckar, war gerettet. Ich war ein Held. KPD würde stolz auf mich sein. Vielleicht würde es sogar für eine Sonderration Kekse reichen. Jetzt konnte ich mich darauf konzentrieren, den stillen Beobachter zu spielen und den Einsatz der Bereitschaftspolizei zu verfolgen. Ich hoffte, dass sich von Welchingen und Monato noch in dem Gebäude aufhielten, als ich den gleichen Weg wie vorhin nahm. Gerade als ich freie Sicht auf den Hof und das Gebäude hatte, bemerkte ich, dass sich etwas tat. Rings um mich herum lösten sich Schatten und liefen auf den Bau zu. »Zugriff«, hörte ich eine Stimme brüllen. Lichter flammten auf und jemand trat die Tür ein. Mindestens ein Dutzend Beamte stürmte das Gebäude. Ich wartete einen Moment ab, bevor ich ihnen nachging. Sofort kamen andere bewaffnete Beamte auf mich zugerannt und forderten mich auf, die Hände zu heben. Glücklicherweise benötigte ich nicht allzu lange, um ihnen zu beweisen, dass ich einer der ihrigen war. Zeitgleich fuhren mehrere Streifenwagen und ein Krankenwagen auf den Hof. Nach kurzer Diskussion ließ man mich ins Gebäude. Das Erdgeschoss schien aus einem einzigen Büro- und Aufenthaltsraum zu bestehen, der im Moment voller Menschen war. Gerhard und Jutta erkannten mich sofort und ich sah ihnen an, dass sie über mein verdrecktes Aussehen verwundert waren. Strommeier stand daneben und auch Friedrichsen, der eine massive Eisenstange in der Hand hielt. Beamte der Bereitschaftspolizei richteten Waffen auf von Welchingen und Monato. Die beiden sahen skurril aus. Sie hatten Taucheranzüge an und trugen Gasmasken, die im Moment um ihren Hals baumelten. Sie erinnerten mich an die Edgar-Wallace-Verfilmung ›Der Frosch mit der Maske‹.
Ich konnte Jutta und Gerhard nicht begrüßen, da gerade ein Dialog zwischen den beiden Gaunern und einem Beamten der Bereitschaftspolizei im Gange war.
»Wir werden Sie jetzt festnehmen«, sagte der Polizist mit lauter Stimme. »Sie haben nicht
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