Wassergeld
nicht. Ich gab dem Chef der Wassereinheit zu verstehen, dass wir nachsehen sollten, bevor wir an Land gingen.
Als wir näherkamen, hörten wir es alle: Aus der Kajüte kam ein eindeutiges Schnarchgeräusch. Und in diesem Moment passierte das Unfassbare: Ich erlag einem Niesreiz. Friedrichsen, Strommeier und seine Mitarbeiter reagierten sofort und zogen prophylaktisch ihre Waffen. Aus der Kajüte drang ein schwaches und kaum verständliches: »Ist da jemand? Wir brauchen Hilfe.«
Friedrichsen trat ohne Rücksichtsnahme auf die Akustik die Tür ein. Wir blickten im Taschenlampenlicht auf drei Personen, die gefesselt und geknebelt auf dem Boden der Kajüte lagen. In Windeseile hatten wir sie befreit.
»Danke«, sagte ein besonders hagerer Mann mit Glatze, der seinen Knebel bereits vor der Rettung etwas lockern konnte. »Mein Name ist Ihrig, ich bin der Schiffsführer der Rosalinde. Die anderen sind mein Steuermann und mein Matrose. Wir wurden überfallen.«
Einer der Beamten, laut seinem Chef intensiv in der Ersten Hilfe ausgebildet, kümmerte sich um die Besatzung der Rosalinde. »Der Matrose ist schwer verletzt und zudem bewusstlos, wir brauchen dringend einen Krankenwagen.«
»Wo sollen wir den jetzt herkriegen?«, meinte Strommeier kopfschüttelnd. »Ist es sehr schlimm?«
Das Nicken war eindeutig. »Ihn hat es ziemlich erwischt, er scheint einen Schlag auf den Kopf bekommen zu haben.«
»Nicht nur scheinbar, sondern auch real«, mischte sich Ihrig ein. »Er hat sich gewehrt, da hat ihm Francesco die Waffe übergezogen. Schweinerei, die eigenen Kollegen zu überfallen.«
»War Welchingen auch an dem Überfall beteiligt?«, schaltete ich mich in den Dialog ein.
»Genau die beiden waren es«, antwortete Ihrig. »Francesco und Alexander. Sonst habe ich niemanden gesehen. Dass Francesco eine brutale Ader hat, wusste ich schon länger. Aber dem Alexander hätte ich das niemals zugetraut.«
»Wie fühlen Sie sich?«, unterbrach Strommeier Ihrigs Ausführungen.
»Ich bin noch etwas wacklig auf den Beinen, doch das wird schon wieder. Nur Matrose Klaus hat’s erwischt.«
Der Steuermann, als Dritter im Bunde, war bereits allein aufgestanden und rieb sich seine Handgelenke. »Wenn ich die erwische, mache ich aus denen eine große Portion Hackfleisch.«
Strommeier wandte sich an den Mitarbeiter, der den Matrosen untersucht hatte. »Bringen Sie Matrose Klaus mit unserem Boot nach Speyer. Das dürfte der schnellste Weg sein, ihn ins Krankenhaus zu bekommen, da dort kein Verkehrschaos herrscht.«
Er drehte sich zu Herrn Ihrig. »Sie und Ihr Steuermann fahren am besten gleich mit und lassen sich ebenfalls durchchecken. Man kann ja nie wissen.«
Der Steuermann fluchte eine Weile vor sich hin und bat darum, auf dem Schiff bleiben zu dürfen, doch Herr Ihrig wies ihn in die Schranken. Mehrere Beamte trugen den Matrosen zum Polizeiboot. Kurz darauf konnte ich hören, wie das Boot ablegte und langsam davonfuhr.
Strommeier und seine Mitarbeiter hatten sich inzwischen in der Kajüte auf eine Bank gesetzt und diskutierten. »Wir können im Moment nur abwarten und hoffen, dass die Bereitschaftspolizei die Lage bald unter Kontrolle hat. Irgendwo auf dem Betriebsgelände treiben sich unsere beiden unberechenbaren Erpresser herum.«
Inzwischen hatte der Regen weiter nachgelassen und ich konnte durch das Kajütenfenster fünf oder sechs zylindrische Tankbehälter von sicherlich zehn Meter Höhe erkennen, die kurz hinter den Eisenbahnschienen standen.
»Was sind das für Tanks?«, fragte ich in die Runde.
Strommeier kam zu mir und blickte ebenfalls durch das Fenster. »Na Tanks eben. Da kann alles Mögliche drin sein. Öl, Benzin, hochgefährliche Chemikalien. Nur das Unternehmen weiß, was da im Moment abgefüllt ist. Sie sehen hier übrigens nur die erste Reihe der Tanks, dahinter stehen noch viel mehr.«
»Ich muss da hin«, beschloss ich, während ich mich meiner Schwimmweste entledigte. »Bleiben Sie mit Ihren Leuten auf dem Frachter.«
»Aber auf keinen Fall«, antwortete Gürtelträger Friedrichsen und sein Chef lächelte dabei.
Meine Vernunft riet mir, abzuwarten. Mein Bauch sagte mir, dass auf dem Betriebsgelände in Bälde etwas Schlimmes passieren würde. Es war ein seltsames Gefühl, den Steg vom Frachter zum Ufer zu betreten und den Erpressern auf die Pelle zu rücken. Ich hatte keine richtige Angst, es war eher wie ein innerer Zwang, der mich zu meinem momentanen Handeln trieb. Doch ich nahm mir nicht die
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