Wassermanns Zorn (German Edition)
Opfer.»
«Hm», machte Nielsen. «Wurde denn damals etwas gestohlen?»
«Nach Aussage der Mitbewohnerin fehlten eine geringe Menge Bargeld sowie der Schmuck des Opfers. Hauptsächlich Modeschmuck, aber auch einige wertvolle Stücke.»
«Das wiederum spricht für Erics Theorie.»
«Wenn man die Akte liest, kommt man tatsächlich zu dem Ergebnis, dieser Fall wäre einer von vielen, in denen Prostituierten Gewalt angetan wurde, um das Geld für die erhaltene Dienstleistung zu sparen oder sie auszurauben. Vielleicht wollte der Täter aber auch, dass dieser Eindruck entsteht.»
«Ist natürlich möglich», sagte Nielsen. «Du meinst also, der Täter, der Anna Meyer und Erics Exfrau getötet hat, hat damals auch Susan Hoffmann in ihrer Badewanne ertränkt?»
Manuela sprang von dem Stuhl auf. Sie musste sich unbedingt bewegen.
«Wir haben die Verbindung zum Wasser, auch wenn See und Badewanne nicht vergleichbar sind. Aber etwas anderes bestärkt mich zusätzlich in meiner Vermutung.»
«Und das wäre?»
«Stifflers Worte vorhin am See.»
«Da war er sturzbetrunken.»
«Hast du noch nie davon gehört, dass Betrunkene die Wahrheit sagen, gerade weil sie betrunken sind? Er hat gesagt, er hätte den Wassermann damals töten sollen, als er die Gelegenheit dazu hatte. Wann soll das gewesen sein, wenn nicht im Zusammenhang mit dem Fall Susan Hoffmann? Vielleicht hat der Wassermann Stiffler erpresst wegen seines Umgangs mit Prostituierten. Stiffler wollte sich nicht erpressen lassen, also tötete der Wassermann Susan Hoffmann. Und Stiffler konnte nicht riskieren, den Mord aufzuklären, deshalb hat er so schlampig ermittelt. Und deshalb wollte er den Zusammenhang auch nicht erkennen.»
Nielsen schürzte die Lippen. «Nicht schlecht, Frau Kommissarin. Und was schlägst du jetzt vor?»
«Ich habe die Adresse der ehemaligen Mitbewohnerin ausfindig gemacht. Sie lebt außerhalb der Stadt. Ich fahre hin und unterhalte mich mit ihr. Wer weiß, was dabei herauskommt?»
Nielsen dachte einen Moment nach und nickte dann.
«Okay. Ich muss mich um ein paar Dinge kümmern und fahre danach zu Stiffler. Fahr bitte nicht allein. Nimm einen Kollegen mit zur Vernehmung.»
«Mach ich. Mal sehen, ob Andreas Bader frei ist.»
«Nie gehört. Wer ist das?»
«Ein neuer Kollege von der Schutzpolizei. Er ist uns zugeteilt und hat mit mir zusammen die Wasserproben gesammelt.»
17
Er trat Wasser und sah sich um. Der Himmel war pechschwarz, so als hätte sich in der kalten Tiefe unter ihm eine Schleuse geöffnet und die Schwärze in diese Welt entlassen. In seinem Inneren begann sich eine Leere auszubreiten, wie er sie bisher nicht kennengelernt hatte. Vor wenigen Minuten noch hatte er mit ihr getanzt, so unglaublich schön war es gewesen, sie einfach nur in den Armen zu halten, sie ekstatisch zucken zu spüren, während die letzte Atemluft ihrem zarten Körper entwich.
Der kleine Delfin schwamm nicht mehr.
Er fühlte sich tief erschöpft. Plötzlich packte ihn eine namenlose Angst.
Im Westen zuckte ein Blitz zu Boden. Der Donner war machtvoll, er hatte die Kraft, das Wasser vibrieren zu lassen. Unmittelbar darauf setzte der Regen ein. Dicke, schwere Tropfen schlugen wie kleine Steine auf die Wasseroberfläche und rissen winzige Krater hinein. Zuerst waren es nur wenige, dann schnell immer mehr, und schließlich öffnete der Himmel seine Schleusen, eine wahre Sintflut brach herein, und die Oberfläche des Sees verwandelte sich in ein scharfkantiges Reibebrett.
Ihm war klar, was das bedeutete.
In spätestens zehn Minuten würden Mama oder Papa auftauchen, um nach dem Rechten zu sehen.
Die warmen Regentropfen schlugen auf seinen Kopf, und für einen Moment dachte er daran, einfach wieder unterzutauchen. Er könnte ihr hinterhertauchen, in die kalte Finsternis, wo noch niemand je gewesen war. Wenn er sich anstrengte, würde er sie sicher einholen. Dann könnte er sie noch einmal in die Arme schließen, ein letztes Mal, und er würde sie nie wieder loslassen.
Alles wäre in Ordnung.
Der nächste Blitz, schon wesentlich näher, riss ihn aus seinen Gedanken, und er begann zu schwimmen. Nicht zurück zum Haus, sondern fort davon, auf das gegenüberliegende Ufer zu. Er wollte nicht nach Hause, auf keinen Fall. Vielleicht könnte er einfach fortlaufen. Dann würden alle glauben, er sei mit seiner Schwester zusammen ertrunken. Nicht immer gab der See wieder her, was er sich nahm.
Er schwamm mit ruhigen und gleichmäßigen Bewegungen. Die Blitze
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