Wassermanns Zorn (German Edition)
fangen, unbedingt, und zwar schnell, und dann musste sie eine Möglichkeit finden, zurück zu den Autos zu kommen. Allein.
Ihre Gedanken rasten, aber unter diesem Druck wollte ihr einfach keine plausible Begründung dafür einfallen.
«Alles in Ordnung?», fragte Nielsen unmittelbar hinter ihr. «Wer war das?»
Umdrehen oder laufen? Sie war bewaffnet. Wenn sie das Handy wegsteckte, konnte sie mit der gleichen Bewegung ihre Waffe aus dem Holster ziehen und …
«Hat sich angehört wie die Vossfeld», fuhr Nielsen fort. «Duzen sich die Damen schon, ja?»
Dieser Ton. Er ließ sie die Schulterblätter zusammenziehen. Das war nicht mehr der verständnisvolle Nielsen, dem dieser Fall an die Nieren ging und in dem sie einen Partner und Freund gefunden hatte. Das war jemand anderes.
«Dreh dich um», forderte er.
Manuela folgte seinem Befehl. Regentropfen schlugen ihr ins Gesicht. Er hielt seine Waffe auf ihren Bauch gerichtet.
«Keine Dummheiten bitte.»
Er sah sie mit seinen blauen Augen abschätzig an. Noch vor ein paar Stunden, als sie zusammen in seinem Wagen gesessen und sich das Du angeboten hatten, hatte sie Mitleid mit diesem Mann gehabt. In seinen Augen hatte echte Verzweiflung gestanden. Oder nicht? Ihre Menschenkenntnis war doch immer ihre Stärke gewesen!
«Das verstehe ich nicht», sagte sie mehr zu sich selbst als zu Nielsen.
Dessen Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln.
«Natürlich nicht. In deiner arroganten, selbstgerechten Besserwisserei hast du rein gar nichts verstanden. Heb die Arme hoch.»
Stiffler näherte sich ihr von der Seite.
«Na los, die Arme hoch», befahl Nielsen ein zweites Mal und wedelte dabei mit seiner Waffe.
Manuela tat, was er verlangte.
Stiffler schob sich so an sie heran, dass er nicht in Nielsens Schussbahn geriet, und zog ihr die Waffe aus dem Futteral. Er steckte sie in seinen Hosenbund und holte die Handschellen hervor.
«Und jetzt die Arme auf den Rücken», sagte er.
«Warte», rief Nielsen. «Handschellen hinterlassen Spuren in ihrer Haut.»
Stiffler zögerte, nickte und steckte die Handschellen wieder weg. Dabei sah er sie an.
«Wenn du blöde Kuh einfach nur getan hättest, was ich dir befohlen habe, dann wäre es nie so weit gekommen», sagte er. «Wie kann man nur so beschissen dickköpfig sein?»
Manuela brachte kein Wort hervor. In Stifflers Blick lag nicht die gleiche Ruhe und Kälte wie in Nielsens. Seine Augen wirkten gehetzt und unsicher, so, als wolle er das alles gar nicht wirklich. Er hielt ihrem Blick nicht stand und wandte sich ab.
«Du erledigst das?», fragte er Nielsen.
Der nickte.
«Sieh zu, dass du ihn diesmal kaltmachst. Und denk dran, es dürfen keine Zeugen zurückbleiben. In zehn Minuten rufe ich die Verstärkung. Bis dahin müssen wir das hier erledigt haben.»
«Ist schon klar. Lass uns die Waffen tauschen.»
Manuelas Waffe landete in Nielsens Hand. Stiffler bekam die seines Kollegen, lief davon und war schon bald im Schatten der Bäume verschwunden.
«Was soll das?», fragte Manuela, die endlich ihre Stimme wiederfand.
«Was hat die Vossfeld gewollt?», konterte Nielsen.
«Nichts.»
«Erzähl keinen Scheiß. Ich konnte doch sehen, wie bei dir der Groschen gefallen ist. Weißt du, eine gute Polizistin muss auch lügen können, und das kannst du nicht.»
«Dann bist du der beste Polizist der Welt.»
Nielsen zuckte mit den Schultern.
«Ist bei einem Frischling wie dir keine große Kunst. Du hast doch nach jemandem gegiert, dem du vertrauen konntest. Also noch mal: Was wollte die Vossfeld?»
«Nichts», wiederholte Manuela und sah ihm dabei fest in die Augen.
Er erwiderte ihren Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. Sein Blick in dem charismatischen Gesicht war kalt, ohne eine Spur von Mitleid oder gar Skrupel.
«Ganz wie du willst. Geh zum Wasser.»
«Damit kommt ihr niemals durch!», warnte Manuela. Nielsen war ein perfekter Lügner und Schauspieler, und sie war ihm auf den Leim gegangen. Stiffler dagegen war die ganze Zeit über einfach nur Stiffler gewesen. Mit seinem Verhalten hatte er sie in die Fänge seines Kollegen getrieben, der einfach nur den Verständnisvollen hatte spielen müssen. Aber warum tat er das? Wieso hatte Stiffler ihn derart in der Hand?
«Mach dir nichts vor», sagte Nielsen. «Natürlich kommen wir damit durch. Du bist das nächste Opfer des Wassermanns. Schon wieder bist du voreilig ins Wasser gesprungen, um Frau Wolff zu retten. Leider kam ich zu spät. Eric wird den Wassermann mit
Weitere Kostenlose Bücher