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Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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ein Lächeln schenkte. Manuela fasste sofort Vertrauen.
    «Ein neues Gesicht?», fragte sie.
    Manuela streckte die Hand aus. «Manuela Sperling.»
    «Schön, Sie kennenzulernen.»
    Dann wandte sie sich Stiffler zu, und ihr Gesicht wurde wieder kühl.
    «Hauptkommissar Stiffler, wir haben schon ohne Sie angefangen. Kommen Sie bitte mit.»
    Sie schritt voran in den großen weiß gekachelten Raum, in dem die Leichenschau stattfand. Manuela wurde nervös. Was ihr jetzt bevorstand, war etwas anderes, als eine Leiche am Tatort zu finden. Nach allem, was sie gehört hatte, war eine Leichenschau viel direkter und intensiver. Das Licht gestattete keine mildernden Schatten, und alles konzentrierte sich allein auf den Leichnam, wohingegen man sich draußen mit dem Tatort beschäftigen konnte, wenn man den Anblick nicht mehr ertrug.
    Die Leiche lag auf einem großen Metalltisch in der Mitte des Raumes. Helle Strahler an einstellbaren Armen warfen ihr weißes Licht darauf und in das doppelte Stahlbecken am Fußende des Tisches. Alles war blitzsauber, aber Manuela besaß genug Vorstellungskraft, um die blutigen, nass glänzenden Organe zu sehen, die vor kurzem noch darin gelegen hatten, um gewogen, gemessen und untersucht zu werden. Sie war erleichtert. Heute war sie noch einmal davongekommen.
    Den grotesk großen ypsilonförmigen Schnitt im Oberkörper hatte man mit groben Stichen bereits wieder zugenäht. Auf den Beinen lag ein grünes Stofftuch. Zwischen dem unteren Ende des Schnitts und der zu einem dünnen Strich ausrasierten Schambehaarung prangten die krakeligen kohlschwarzen Lettern auf dem weißen Bauch des Opfers.
    Manuela stellte sich auf eine Seite des Tisches, Stiffler und die Ärztin auf die andere Seite. Manuela konnte ihren Blick nicht von den Buchstaben nehmen und fragte sich, was in ihrem Chef vorgehen mochte. Da stand sein Name auf dem Leib einer Toten! Ihr lief eine Gänsehaut den Rücken hinunter bei der Vorstellung, ihr selbst könnte irgendwann so etwas passieren. Stiffler zeigte ein zumindest äußerlich ungerührtes Gesicht.
    Dr. Vossfeld deutete mit dem Finger auf den Bauch der Leiche.
    Geschenk für Stiffler, stand dort.
    «Die Buchstaben sind in die oberste Hautschicht eingebrannt. Ich gehe davon aus, dass die Arbeit mit einem Lötkolben oder einem ähnlichen heißen Metallgegenstand ausgeführt wurde. Wie Sie sehen, sind die Buchstaben sehr klein, stehen sehr eng beieinander, sind aber trotzdem gut leserlich. Ich habe darin keine Erfahrung, würde aber sagen, dass es mindestens eine Stunde gedauert haben muss, es so ordentlich hinzubekommen.»
    Ohne aufzusehen, fragte Stiffler:
    «Postmortal?»
    Dr. Vossfeld nickte.
    «Alle anderen Verletzungen sind ihr prämortal zugefügt worden. Sie hat an den Oberarmen und am Rücken stark ausgeprägte Hämatome.»
    Die Pathologin hob den linken Arm der Leiche an und drehte ihn an der Schulter etwas nach oben.
    «Sehen Sie hier.»
    Manuela betrachtete die blauschwarzen Abdrücke in der weißen Haut. Jeder einzelne Finger war zu erkennen. Da hatte jemand mit aller Kraft zugedrückt.
    «Außerdem fanden sich in ihrem Rücken siebzehn Holzsplitter unterschiedlicher Größe. Sie waren nicht sehr tief in die Haut eingedrungen. Sie stammen von älterem, mit Farbe behandeltem Holz. Ich würde darauf tippen, dass sie längere Zeit auf einem hölzernen Untergrund gelegen hat oder auf Holz transportiert wurde. Die genaue Untersuchung der Splitter steht noch aus.»
    «Wurde sie missbraucht?»
    «Nein. Wir haben weder Spermaspuren, Rückstände eines Kondoms noch fremde Hautpartikel gefunden, und ihre Vagina weist keine inneren und äußeren Verletzungen auf.»
    «Und die Todesursache?», fragte Stiffler.
    Dr. Vossfeld hob die linke Hand und zählte an ihren Fingern ab.
    «Bronchialsekret in der Trachea und den Bronchien, Verletzungen der Schleimhaut im Hals, Schaum in den Nasenlöchern, die Lunge ist typischerweise verändert und mit Wasser gefüllt …»
    «Also ist sie ertrunken», würgte Stiffler sie ab und fing sich einen bösen Blick der Ärztin ein, den er aber nicht bemerkte.
    «Ja, sie ist ertrunken, aber nicht in dem Wasser, in dem sie gefunden wurde. Deshalb habe ich angerufen.»
    Stiffler sah die Gerichtsmedizinerin genauso überrascht an wie Manuela selbst.
    «Wie bitte?», sagte er.
    «Das Wasser in der Lunge des Opfers stammt nicht aus dem Fluss, in dem sie gefunden wurde.»
    «Und da gibt es keinen Zweifel?»
    Dr. Vossfeld zog die Augenbrauen zusammen,

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