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Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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zucken.
    Im Grunde war Peter Nielsen der wichtigste Mann in seinem Team. Nicht nur, weil sie sich gut kannten und Eric aus Erfahrung wusste, dass er sich im Notfall auf ihn verlassen konnte, sondern weil Nielsen führen konnte und die anderen auf ihn hörten. Er brauchte ihn an seiner Seite, unbedingt.
    «Und Bender hat dir den Fall trotzdem gegeben?», fragte Habermann.
    Der Oberkommissar war vor sechs Jahren aus dem Hamburger Umfeld auf dieses Präsidium gewechselt. Eric verstand sich ganz gut mit ihm, sie waren ein paar Mal zusammen ein Bier trinken gegangen, aber eine richtige Männerfreundschaft hatte sich nicht daraus entwickelt. Habermann war ein melodramatischer, emotionaler Typ, und das konnte Eric nicht leiden.
    «Ich habe Bender davon überzeugt, dass es für mich keinen Unterschied macht und ich den Fall so professionell wie alle anderen auch angehen werde», sagte Eric.
    Selbst in seinen eigenen Ohren klang das wie auswendig gelernt und aufgesagt.
    Auf der Rückfahrt vom Friedhof, nachdem er sich beruhigt hatte, hatte er sich diese Worte zurechtgelegt. Argwohn und Skepsis mussten im Keim erstickt werden, sonst würde es nicht funktionieren. Wenn diese Männer den Besprechungsraum verließen, mussten sie auf seiner Seite stehen.
    «Ist das dein Ernst?», fragte Roland Petrie.
    Petrie war ein nachdenklicher Typ, sehr ruhig, immer konzentriert und zielgerichtet. Eric hatte bereits dreimal mit ihm zusammengearbeitet und ihn als zuverlässig und verschwiegen kennengelernt. Petrie war fünfundvierzig Jahre alt, hatte kaum noch Kopfhaar, trug dafür aber einen Dreitagebart, der ihm zusammen mit seiner randlosen Brille etwas Verwegenes verlieh. Er kam gut bei Frauen an, war aber nicht verheiratet. Man munkelte, er hätte jeden Monat eine neue Freundin am Start. Aber gemunkelt wurde ja viel.
    Eric beugte sich auf dem Stuhl nach vorn, warf einen Blick zur Tür, als müsse er sich davon überzeugen, dass sie geschlossen sei, und sagte dann mit gesenkter Stimme:
    «Okay, ich weiß, das ist ungewöhnlich. Ich bin hier persönlich involviert und dürfte eigentlich nicht an dem Fall arbeiten. Aber ganz ehrlich: Ich kannte die Frau kaum. Ich habe mit ihr gefickt, ein paar Mal, vielleicht ein Dutzend Mal in den vergangenen Jahren. Sie hat Geld dafür genommen, und damit war es ein Geschäft, keine Beziehung. Ich bin so persönlich betroffen, als wenn meine Nachbarin das Opfer wäre. Und außerdem …»
    Eric setzte ein schiefes Grinsen auf und beugte sich noch etwas weiter vor. Die Männer steckten ihre Köpfe zusammen. Eine verschworene Gemeinschaft.
    «Sie war wirklich gut. Oberklasse. Fragt Bender.»
    Von allem, was er bisher gesagt hatte, waren die letzten beiden Worte am wichtigsten.
    Fragt Bender.
    Eric konnte in den Gesichtern der Männer ablesen, was in ihren Köpfen vorging – mit Ausnahme von Nielsen, bei dem ihm das noch nie gelungen war. Sie waren nicht unbedingt überrascht, denn in einem Mikrokosmos wie diesem Präsidium hatte jeder einen Ruf, auch der Polizeichef. Aber sie waren beeindruckt – davon, dass Eric Stiffler sich traute, so etwas auszusprechen.
    «Ist nicht dein Ernst», sagte Petrie.
    Eric lehnte sich zurück und schlug die langen dünnen Beine übereinander.
    «Fragt ihn. Aber bitte …», er hob abwehrend die Hände. «Von mir habt ihr das nicht.»
    Er wusste, keiner von ihnen würde zu dem cholerischen Bender ins Büro gehen und ihn fragen, wie der Sex mit dem Mordopfer Anna Meyer gewesen war.
    «Wir werden doch am Ende keine polizeiinterne Affäre aufdecken, oder?», fragte Habermann.
    Eric schüttelte den Kopf.
    «Dieser Typ hat es auf mich abgesehen, auf mich allein. Anna Meyer hat er getötet, weil er sich an mir rächen will. Das hat weder etwas mit ihrem Gewerbe noch mit ihrer anderen Kundschaft zu tun.»
    «Dein Wort in Gottes Ohr», sagte Habermann. «Ich habe keine Lust, am Ende als derjenige dazustehen, der Bender ans Messer geliefert hat.»
    «Wirst du nicht, weil es nicht passiert. Alles klar?»
    Eric sah Habermann noch einmal direkt an. Er legte so viel Ehrlichkeit in den Blick, wie er aufbringen konnte, und mischte sie mit Zuversicht. Habermann war um seinen Job besorgt, weil es in seinem Leben nichts anderes mehr gab, nachdem ihn seine Frau verlassen hatte und auch sein Sohn nichts mehr von ihm wissen wollte. Er war ein vom Schicksal Gebeutelter, der sich nur noch für seinen Job aufrecht hielt. Er würde alles tun, was Eric ihm sagte.
    Schließlich nickte

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