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Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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sein könnte, denn seine Tochter litt ebenfalls unter Narkolepsie. Er sprach mit meiner Lehrerin, Frau Hundertmark, die bis dahin noch nicht mal auf die Idee gekommen war, ich könnte krank statt faul sein. Sie überwand sich und sprach mit meinen Eltern, und der Stein kam ins Rollen. Es hat dann aber noch ungefähr ein halbes Jahr gedauert, bis ein Arzt endlich Narkolepsie bei mir diagnostizierte.»
    Frank hob den Kopf und sah Lavinia an.
    In ihren Augen lag so viel Traurigkeit und Mitgefühl, dass es ihm den Magen zusammenzog. Ganz unerwartet legte sie ihre Hand auf seine und brachte damit seine nervösen Finger zur Ruhe.
    «Du schläfst also einfach so ein, zu jeder Tageszeit», fasste sie seine Geschichte zusammen.
    «Ja, aber wenn es nur das wäre. Narkolepsie hat noch mehr Symptome.»
    Er holte tief Luft, so als müsse er sich auf einen langen Tauchgang vorbereiten, zog seine Hand unter Lavinias hervor, was ihm ein bisschen schwerfiel, und zählte an den Fingern ab.
    «Erstens: die Schlafattacken. Zweitens: gestörter Nachtschlaf. Ich wache ungefähr alle anderthalb Stunden auf. Mein Leben hat einen Neunzig-Minuten-Rhythmus, auch nachts. Drittens: automatische Handlungen. Das musst du dir wie Schlafwandeln vorstellen. Ich habe vor ein paar Jahren ein Auto zu Schrott gefahren, weil ich eingeschlafen bin, aber man hat mir erzählt, ich wäre dabei gefahren, als sei ich wach, nur eben nicht mehr auf der Straße.»
    «Um Gottes willen!», entfuhr es Lavinia.
    «Keine Angst. Das passiert mir heute nicht mehr.»
    Frank hob den vierten Finger.
    «Dann kommen noch die Halluzinationen. So wie ich sie vorhin im Wagen hatte, von dem Mann, der dich … na ja, du weißt schon. Ich kann dabei nicht zwischen Realität und Traum unterscheiden, und wenn ich aufwache, denke ich oft, es passiert noch. Das ist ein gewaltiger Unterschied zu den Träumen normaler Menschen.
    Damit habe ich meine letzte feste Freundin vertrieben. Ich bin drei Nächte hintereinander aufgewacht und habe geschrien und getobt, weil ich der festen Überzeugung war, jemand hatte ihr rechtes Bein abgenommen. Das war gruselig. Ich sah überall Blut, auf dem Laken, der Decke … Und dieser grausige Beinstumpf … Ich habe in der ganzen Wohnung nach ihrem Bein gesucht. Beim dritten Mal hat sie dann meinen Bruder angerufen, weil sie mich nicht beruhigen konnte. Tja, und dann ist sie ausgezogen.»
    «Einfach so.»
    Frank erinnerte sich noch sehr gut an die Tränen und den Schmerz.
    «Nein, nicht einfach so, aber es war zu viel für sie. Ich nehme es ihr nicht übel. Wer kann so einen Typ schon ertragen?»
    Er hob den Daumen.
    «Fünftens: die Kataplexien. Manche Narkoleptiker leiden nicht unter allen Symptomen, aber ich schon. Ich habe das volle Pfund abbekommen, und die Kataplexien sind das Schlimmste.»
    «Was sind Kataplexien?»
    Frank ließ seine Hand sinken und sah Lavinia aus schmalen Augen an.
    «Meine persönliche Hölle», sagte er mit rauer Stimme.

18
    «Der Fundort der Leiche liegt in einer Gegend, die reich an Gewässern ist und als Urstromtal bezeichnet wird.»
    Manuela Sperling stand neben der großen Wandkarte in Stifflers Büro und zeigte auf das rote Fähnchen. Es markierte die Stelle am Fluss, an der Anna Meyer gefunden worden war.
    Vor einer halben Stunde war Manuela abgehetzt, schmutzig und mit einigen rot leuchtenden, juckenden Mückenstichen im Gesicht ins Präsidium zurückgekehrt. Am zweiten Tag in der neuen Dienststelle hatte sie sich bereits die zweite Hose ruiniert. Die Jeans, die sie trug, war bis zu den Knien hinauf verdreckt. Zwischen den Schenkeln hatte sie Rostflecken, weil sie über eine alte Metallschranke am Zugang zu einem See geklettert war. Trotz ihres derangierten Zustandes hatte sie die Proben ins Labor gebracht und war auf direktem Wege, ohne sich vorher frisch zu machen, in Stifflers Büro gestürmt.
    Dort saßen Petrie, Habermann und Stiffler um den Schreibtisch, auf dem die Reste einer Platte Streuselkuchen lagen, hielten Kaffeebecher in den Händen und sahen aus wie ein englischer Herrenclub beim Nachmittagstee. Stiffler war deutlich anzusehen gewesen, wie überrascht er war, und ihm war gar nichts anderes übrig geblieben, als Nielsen dazuzurufen, damit Manuela allen Bericht erstatten konnte.
    Jetzt zeichnete sie mit dem Finger ein weites Oval auf die Karte. Darin befanden sich die Stadt, ein paar umliegende Dörfer, vor allem aber ausgedehnte hügelige Freiflächen, Waldgebiete und eine große Anzahl an Seen. Auf

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