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Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Rums, auf deren Etikett ein brauner Matrose breit grinsend salutierte. Eine weitere Flasche hielt Stiffler in der Hand. Sie war noch zur Hälfte gefüllt.
    Anderthalb Flaschen, dachte Manuela. Kein Wunder.
    «Eric, verdammte Scheiße», stieß Nielsen hervor und blieb vor seinem Kollegen stehen. «Was ziehst du hier ab?»
    Stiffler sah nicht zu Nielsen auf, sondern hob die Flasche, führte sie an seine Lippen und trank einen weiteren Schluck Rum.
    Nielsens Hand zuckte vor. Er entriss Stiffler die Flasche mit einer schnellen Bewegung und warf sie ins Dickicht.
    «Verflucht noch mal, reiß dich zusammen», fuhr er seinen Kollegen an.
    Erst jetzt sah Stiffler zu ihm auf, und Manuela erhaschte einen Blick in seine Augen. Es waren Totenaugen. Eric Stiffler war fertig. Ein gebrochener Mann. Der Alkohol hatte in seinem Hirn dasselbe angerichtet, was eine Kugel aus seiner Dienstwaffe angerichtet hätte. In diesen Sekunden war Manuela bereit, ihre Meinung über Stiffler zu revidieren. Vielleicht war er doch kein so kaltes Arschloch, und vielleicht hatte der Tod seiner Exfrau ihn doch schwer getroffen. Was wusste sie denn schon über diesen Mann und sein Gefühlsleben?
    «Iss schön hier, nich?», lallte Stiffler und deutete mit einem Kopfnicken auf den See hinaus. «Wie’m Paradies.»
    «Wir bringen dich nach Hause», sagte Nielsen. «Du nimmst ein paar Aspirin und eine heiße Dusche, und in ein paar Stunden sieht die Welt wieder ganz anders aus.»
    Typisch Mann, dachte Manuela. Sofort eine Lösung parat, auch wenn sie noch so dumm war. Stiffler würde mehr als ein paar Stunden brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen. Wahrscheinlich würde er es niemals schaffen.
    «Ich hätte ihn damals umbringen sollen», nuschelte Stiffler. «Als ich die Gelegenheit hatte.»
    «Von wem sprichst du?», fragte Nielsen und ging vor Stiffler in die Hocke.
    Manuela konnte seine üblen Ausdünstungen riechen, obwohl sie zwei Meter entfernt stand, und sie fragte sich, wie Nielsen das aushielt.
    «Vom Wassermann», lallte Stiffler. «Von meinem alten Freund, dem Wassermann.»

7
    Lavinia war nirgendwohin geflogen.
    Ihr Koffer und ihr Rucksack lagen im Kofferraum des Škoda, dort hatte Frank sie gestern Abend selbst verstaut. Sie hätte beides nicht zurückgelassen, wenn sie vorgehabt hätte, das Land zu verlassen.
    Das konnte nur eins bedeuten.
    Lavinia war ihrem Verfolger in die Hände gefallen. Das Wann und Wo konnte Frank sich nicht erklären, denn wenn sie seine Wohnung nur kurz verlassen hatte, um Brötchen zu holen, hätte ihr Verfolger ja vor dem Haus auf sie warten müssen. Und der konnte ja nicht wissen, wo er wohnte.
    Der Anruf in der Taxizentrale fiel Frank wieder ein. Jemand hatte mit einer fadenscheinigen Begründung seine Adresse herausfinden wollen. War der Anrufer auf anderem Wege zum Ziel gelangt?
    Frank überlegte fieberhaft, was er tun konnte. Das Nächstliegende war, zur Polizei zu gehen. Aber würden die ihm glauben, nach der Geschichte vor Lavinias Haus gestern Abend? Wenn er jetzt erzählte, er hätte die Frau zwar gefunden, die er gestern gesucht hatte, und sie auch mit zu sich nach Hause genommen, aber sie sei ihm dort wieder abhandengekommen, wie würden sie wohl reagieren?
    Nein, es musste eine andere Möglichkeit geben.
    Leider wusste er nichts über Lavinia. Hatte sie Familie in der Stadt, Freunde, Bekannte? Arbeitskollegen?
    Ja, natürlich! Sie musste ja irgendwo arbeiten, und es musste irgendwo in der Innenstadt sein, denn von dort war sie mit der S-Bahn gekommen.
    Vielleicht war sie ja von seiner Wohnung zur S-Bahn gelaufen und in die Stadt gefahren, weil sie es sich nicht erlauben konnte, dort zu fehlen. Gestern schien ihr das zwar vollkommen gleichgültig gewesen zu sein, aber es war eine Möglichkeit, die nichts mit ihrem Verfolger zu tun hatte, und das gefiel ihm.
    Als er an einer Reihe geparkter Taxen vor dem Rot-Kreuz-Krankenhaus vorbeifuhr, fiel ihm sein Kollege Ulf ein.
    Ulf hatte Sozialpädagogik studiert und keine Anstellung gefunden. So wie viele andere Akademiker fuhr er Taxi. Ulf hatte mal behauptet, unter Taxifahrern gäbe es so etwas wie ein Schwarmwissen, das nicht richtig genutzt würde.
    Nach seiner Theorie wusste jeder Fahrer eines Unternehmens irgendetwas über die Fahrgäste und deren Leben, behielt aber aus Gründen der Diskretion sein Wissen für sich. Würde man aber das gesamte Wissen aller Fahrer in einen Topf werfen, so bekäme man komplette Lebensgeschichten mit Details, die sonst

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