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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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worden bist, daß du schon den Outback kennst. Es ist besser, du gehst morgen nicht ins Palm Valley, besser eure ganze Gruppe fährt direkt zurück nach Alice Springs, und ihr verbringt einen gemütlichen Abend in irgendeiner Bar und hofft, daß nichts passiert.«
    Er leerte mit einem entschlossenen Zug sein VB, zerknautschte, wie es sich gehörte, die Dose und legte sie vorsichtig auf den Tisch. Ich war inzwischen doch neugierig geworden, was es mit dem Giant Kanguruh auf sich hätte, und holte sofort zwei neue VBs, obwohl meine Dose noch fast voll war.
    Die wenigen anderen Gäste, durchweg Männer, denen man nachts nicht in einer stillen Straße begegnen möchte, hatten sich mittlerweile alle an der Bar versammelt, wo sie die Frau umlagerten, deren im nüchternen Zustand nicht gerade berauschende Schönheit sich mit zunehmendem Alkoholkonsum überdimensional gesteigert hatte.
    »Zwei VBs bitte«, sagte ich, als es mir gelungen war, für einen Moment ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Während sie zu einem der Kühlschränke ging, fummelte ich drei Dollar aus meiner Hosentasche.
    »Na, hat dir der alte Bill schon die Geschichte von seinem Vater erzählt?« sprach mich jemand von der Seite an. Ich drehte mich um und blickte in ein sonnengebräuntes, verwittertes Gesicht, das fast vollständig von einem schwarzen Bart bedeckt wurde. Ich zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf.
    »Na, dann mußt du ihm noch ein paar VBs einflößen«, rief er hinter mir her, als ich schon auf dem Weg zu unserem Tisch war.
    »Halt den Mund, Duncan!« rief Bill, der den kurzen Wortwechsel mitbekommen hatte, zur Bar hinüber. »Du hast ja keine Ahnung. Du kommst hierher und glaubst, das Land ist leer, nur Wüste und ein paar Känguruhs, vielleicht mal ein Dingo. Das Land ist aber nicht leer, und war es auch nie, frag die Abos.«
    »Mensch, Bill, laß uns doch mit deinen Geschichten in Ruhe! Hier ist nichts, war nichts und wird auch niemals mehr als Sand, Spinnifex, ein paar Felsen und noch weniger Bäume sein. Und die Abos sind nur ein Haufen Säufer, die dankbar sein müssen, daß sie in Hermansburg von uns versorgt werden.« Der mit Duncan angesprochene Mann drehte sich wieder der Bar und der dahinter stehenden Frau zu, um in dem Kampf um die Gunst der Schönheit nicht an Boden zu verlieren.
    Ich hatte mich inzwischen wieder zu Bill gesellt und schaute ihn nun erwartungsvoll an. Mehr als vorher fiel mir die Diskrepanz zwischen seinem Gehabe sowie der Art, wie ihm die Leute hier gegenübertraten, und seinem augenscheinlich jugendlichen Alter auf. Er wurde von den anderen wie ein Faktotum behandelt, wie ein steinalter Outbacker, der durch die sengende Hitze, den roten Staub und unzählige einsame Nächte in Buschcamps etwas merkwürdig geworden war.
    Es dauerte eine halbe Dose Bier, denn schon seit einer Weile wurde an diesem Ort die Zeit nicht mehr in Minuten oder Stunden gemessen, sondern anhand des getrunkenen Biers, das mit einer Stetigkeit durch die Kehle floß, als entströmte es einer Benzinzapfsäule. Plötzlich forderte Bill mich auf, mit nach draußen zu kommen. Vorher aber ging er noch an die Bar und holte einen Sechserpack VB, und dann standen wir unter einem klaren Himmel, an dem das Kreuz des Südens sich dem nächtlichen Horizont näherte. Mit einer weit ausholenden Geste begann er zu sprechen.
    »Australien ist etwas Besonderes, verstehst du? Es ist ein völlig abgeschlossener Kontinent. Nichts ist hier wie in der restlichen Welt. Bei uns ist alles ganz anders, andere Tiere, andere Pflanzen, einfach alles, weißt du?«
    Ich nickte, und er mußte dieses Nicken gegen den hellen Sternenhimmel bemerkt haben.
    »Natürlich weißt du das«, bemerkte er abfällig, »ihr Touristen aus Europa wißt ja immer alles. Ihr lest kluge Reiseführer und all den Kram und glaubt, Australien genau zu kennen, und wenn ihr wieder abfliegt, dann klopft ihr euch auf die Schulter, und seht euch in allem bestätigt, was ihr vorher schon in euren klugen Büchern gelesen habt. Warum kommt ihr dann überhaupt?«
    Gerade als ich mir eine Antwort, keine gute, aber immerhin eine brauchbare, zurechtgelegt hatte und sie loswerden wollte, sprach Bill weiter.
    »Na egal. Darum geht es auch nicht. Ich werde dir von meinem Vater erzählen«, fuhr er fort und warf eine leere Bierdose in einem weiten Bogen hinter einen Busch. »Er war Ethnologe und hat sich mit den Aboriginals beschäftigt. Als Professor an der Universität von Sydney mußte er

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