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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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irgendwie zur Vernunft bringen. »Selbst an den schlimmsten Tagen macht mich meine Frau glücklicher, als du es jemals könntest.«
    Celeste lachte erneut jenes schrecklich kratzige und unechte Lachen. Ich schloß die Hand fester um die goldene Schatulle, eilte an ihr vorbei, riß die Schiebetür mit einem Ruck auf und schleuderte das Etui so weit wie möglich fort.
    »Du blöder und dreimal verfluchter Mistkerl.« Celeste lehnte sich an die Rückwand des Badezimmers, und sie wirkte plötzlich so eingefallen, als habe sie jeden inneren Halt verloren. »Hast du eigentlich eine Vorstellung davon, was für ein Vermögen du gerade weggeworfen hast, du Arschloch?« Ich hatte mit einer heftigeren Reaktion gerechnet, mit einem hysterischen Anfall oder dergleichen, nicht aber mit dieser kummervollen und verzweifelten Hoffnungslosigkeit. »Ich hätte nie gedacht, daß ein Koks-Trip so rasch zu Ende gehen kann. Du Idiot, du gottverdammter Idiot – ich glaube fast, ich kriege einen Herzanfall.«
    »Ich sagte, du sollst dich anziehen!« Ich setzte mich in Bewegung und trat auf sie zu. Ich weiß nicht, was mit ihr geschehen wäre, hätte ich sie tatsächlich erreicht. Aber sie hob die Hände. Sie zitterten.
    »Ja, ja, ist schon in Ordnung«, sagte sie leise und zog sich zurück. Dann verlor sie das Bewußtsein und sank schlaff wie eine Leiche zu Boden.
    Ich geriet in Panik. Das ist meine einzige Entschuldigung – und keine besonders gute, wie ich sehr wohl weiß. Ich hätte mich sofort mit dem Empfang in Verbindung setzen und trotz aller möglichen Konsequenzen einen Krankenwagen anfordern sollen. Ich glaubte Celeste tatsächlich in Lebensgefahr. Statt dessen aber dachte ich nur daran, wie schwer es sein mochte, das alles zu erklären: dem Nachtportier, den Ärzten, der Polizei, Barbara. Ja, meine ersten Überlegungen waren rein egoistischer Natur. Ich legte Celeste aufs Bett und zog sie an – bis auf die Strumpfhose, die ich in ihre Handtasche stopfte. Sie atmete flach, aber regelmäßig. Ich befeuchtete einen Waschlappen, wischte ihr den Schweiß von der Stirn und flehte sie die ganze Zeit über an: »Komm schon, Celeste, wach auf, wach auf!« Schließlich schlug sie die Augen auf, kniff sie wieder zu, brummte und sagte: »Schalt das verdammte Licht aus!« Sie war etwa sechs Minuten lang ohnmächtig gewesen – die sechs schlimmsten Minuten meines Lebens. Ich kam ihrer Aufforderung nach und ließ nur eine Lampe eingeschaltet.
    »Ist alles in Ordnung mit dir?« fragte ich. »Soll ich einen Arzt rufen?«
    »Nein.« Sie stemmte sich auf einem Ellbogen in die Höhe. Selbst in dem nun wesentlich matteren Licht konnte ich deutlich erkennen, daß ihre Pupillen zu schwarzen Scheiben geweitet waren. »Das ist mir zum erstenmal passiert: Plötzlich verblichen alle Farben.« Erst dann stellte sie fest, wieder angekleidet zu sein. »Wie lange war ich weg?«
    »Ein paar Minuten. Bist du sicher, daß dir nichts fehlt? Du sagtest eben etwas von einem Herzanfall.«
    »Wenn man hundert Milligramm pharmazeutisches Koks drückt, dann bringt man das Herz ganz schön in Trab. Was wolltest du machen? Mich auf den Flur schleifen und den Putzfrauen überlassen?«
    Ich gab keine Antwort. Einige Minuten lang mied ich sogar ihren Blick. Ich starrte an ihr vorbei und beobachtete den hellen Streifen, den die Flurlampe auf den Boden projizierte. Die Belüftungsanlage im Badezimmer summte leise, wodurch das Schweigen noch bedrückender wirkte.
    »Wieso tust du dir so etwas an?« fragte ich leise.
    »Es ist eigentlich kein Problem, solange man achtgibt und es nicht übertreibt. Das Zeug macht nicht etwa süchtig oder so.« Celeste setzte sich auf, griff nach der Tasse auf der Ablage und prostete mir spöttisch zu. »Zum Wohl!« Sie leerte sie in einem Zug.
    »Willst du dich etwa betrinken – nach dem, was du gerade überstanden hast?«
    »Sonst kann ich nicht einschlafen. Und außerdem hilft Alkohol dabei, mit den Nachwirkungen fertigzuwerden.« Sie ließ das Eis klirren. »Wie wär’s mit einem zweiten? Du solltest dir ebenfalls einen genehmigen. Siehst aus wie gekaut und ausgespuckt.«
    »Himmel, es tut mir ja leid.« Widerstrebend griff ich nach der Tasse. »Ich hätte einen Arzt rufen sollen. Vielleicht sollte ich das jetzt nachholen …«
    »Vergiß es!« Celeste rückte die Kissen hinter sich zurecht. »Weißt du, ich brauche irgendeinen Platz, wo ich schlafen kann, und ich hatte eigentlich damit gerechnet, die Nacht hier bei dir verbringen zu

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