Wassermans Roboter
gegenüber dem Morgen, sondern gegenüber dem Heute). Doch ein von den gußeisernen Fabrikschlünden ausgesaugter Fluß verschwindet nicht nur aus der Zukunft, sondern wird zum Anfang einer Kette irreversibler Veränderungen. Sowohl der Ozean – die Wiege des Lebens – als auch das Festland – die grüne Weite, der gestickte Saum der farbenfrohen Frühlingstracht des Planeten – waren unantastbar. Dennoch tasteten Hände nach ihnen, die nicht wußten, was man darf und was nicht. Was tun?
»Ich habe darüber nachgedacht«, sagte Welta, »selbst für uns keine leichte Aufgabe … und weißt du, was es für einen Ausweg gibt? Er gleicht einem Märchen.« Sie versank in Gedanken, als versuchte sie sich an etwas zu erinnern. »Ja, es ist ein Märchen aus dem Schiffsfond. Vom Zarensohn und dem grauen Wolf, vom lebendigen und toten Wasser. Vielleicht hast du es gelesen …«
»Ich hatte das Glück, auf dieses und viele weitere Märchen zu stoßen. Ich war es, der sie dem Schiff zum Geschenk gemacht hat.«
»Der schwarze Rabe kehrte zurück und brachte zwei Glasgefäße: das eine mit lebendigem Wasser, das andere mit totem Wasser … Erinnerst du dich?«
»Und ob! Es ist unwahrscheinlich, daß wir das Geheimnis des lebendigen Wassers enträtseln … Ist es möglich?«
»Sie hatten einst lebendiges Wasser, Erto. Unsere Biologen sind davon überzeugt. Die Natur half ihnen. Das Zusammentreffen günstiger Umstände, der Zufälle verhalf einer lebendigen, aus der Erde hervorspringenden Quelle zur Geburt. Möglich, daß es irgendwo am Ural oder westlich davon geschah. Schwierig zu sagen, wo. Die Erzählungen wurden zu Märchen und über lange Zeit mündlich weitergegeben.«
»Und das lebendige Wasser?«
»Die Quelle versiegte, das Bachbett trocknete aus und bedeckte sich mit Steppengras – versuch einmal, den verborgenen Ort zu finden!«
»Und wir werden ihnen das Geheimnis des lebendigen Wassers entdecken?«
»Mach keine Witze, Erto! Lebendiges Wasser haben nicht einmal wir noch. Zumindest kein solches wie im Märchen.«
»Von einem anderen habe ich jedoch gehört … ich weiß. Wasser, in dem sich die Rädertierchen und alles mögliche Kleingetier rascher entwickeln. Ist es so unbedingt notwendig?«
»Hör mir zu: viele Flüsse kann man mit derartigem Wasser füllen, nachdem man es mit normalem Wasser vermischt hat, und das ist durchaus nicht schwierig! Wie viele Fische wird es dann geben?«
»Flüsse? Das verstehe ich nicht.«
»Es steht im Grunde genommen alles bereit. Rohrleitungen von den knapper werdenden Öl- und Gaslagerstätten laufen die nördlichen Küsten entlang, biegen nach Südwesten ab zu den Quellen der großen Flüsse. Mit der Zeit werden diese Riesenrohre leer sein (ein Atomkraftwerk nach dem anderen wird gebaut!). Dann werden sie von Nutzen sein … Kleinste Zugaben von Spurenelementen, das genügt. Besser ganze Flüsse mit solchem angereicherten Wasser als ein einziges Glas aus dem Märchen.«
»Ihr schlagt vor, eine Lösung mit Spurenelementen durch die Leitungen zu schicken? Bis an die Quellen der Flüsse?«
»Erstaunt dich das?«
»Ja … wohl. Die Idee ist gar zu einfach, sie wird ihnen ohne Zweifel nicht neu vorkommen. Und die Realisierung des Projekts ist nicht einfach.«
»Eben doch. Einfacher, als du glaubst. Im Meerwasser sind alle Spurenelemente vorhanden. Natrium, Magnesium, Zink, Kupfer, Bor, Jod, Brom – fast alle des Periodensystems. Man braucht dem Flußwasser nur ein Tausendstel Polarmeerwasser zuzusetzen, und es erhält zwei verblüffende Eigenschaften: Klarheit und eine höhere lebenserhaltende Wirkung. Mag die Verbesserung auch gering sein, um das Anderthalbfache, doch für den Planeten ist das ein unschätzbares Geschenk.«
»Das Meerwasser wird mit der Zeit das Metall der Rohrleitungen auffressen, habt ihr daran gedacht?«
»Das ist eine Aufgabe der Technik. Kein Problem. Weder für uns noch für sie.«
»Habt ihr getestet? Nein, nicht Schutzbeläge … Habt ihr die Auswirkungen auf das Leben untersucht?«
»Natürlich. Viele Male. An allen lebendigen Organismen. Besonders empfindlich sind die Rädertierchen, und sie sind die wertvollste Nahrung für die Jungfische. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sich alles zum Besten wendet: das Wasser ist um vieles reiner, es kommt zu keiner Algenblüte, der Sauerstoffhaushalt verbessert sich, der Fluß verjüngt sich sozusagen vor den Augen. Wahrscheinlich sind vor undenklich langer Zeit über das Antlitz des
Weitere Kostenlose Bücher