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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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eine perfekte genetische Kombination. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen, ich habe eure medizinischen Dossiers angefordert.«
    »Du alter Dreckskerl! Was hast du damit zu tun …«
    »Ich hatte sie schon angefordert, bevor ihr den Zehnjahresvertrag abgeschlossen hattet. Glaubst du, ich hätte es zugelassen, daß mein Sohn nach all dieser Arbeit ein minderwertiges genetisches Exemplar heiratet? Was den Familienantrag betrifft, wird es keinerlei Probleme geben. Die genetische Evolution, mit der ich begonnen habe, muß in der dritten Generation vollendet werden, Ludwig. Ich lasse dir keine Wahl. Ein Enkelkind … oder ich enterbe dich, und zwar völlig.«
     
    »Sybillia, komm sofort herein! Gleich kriegst du doch das ganze Unwetter auf den Kopf! Was stehst du da herum und starrst in den Himmel? Du solltest besser dein Zimmer aufräumen! Ich habe es satt, diese Unordnung noch länger mitansehen zu müssen!«
    Mutters Stimme schnitt durch den Wachtraum, der sich zurückzog, jedoch nicht verschwand. Marleen Sternenstaub, geborene Hartford, hatte eine harte, scharfe Stimme. Sybillia hörte in ihren Wachträumen manchmal die Stimme ihrer Mutter, so wie sie früher geklungen hatte. Doch wie lange war dieses Früher schon her? Wie weit war es vom Jetzt entfernt? Es war schwer, zwischen Wachträumen und einfachen Erinnerungen zu unterscheiden, denn sie gingen ineinander über, und Sybillia konnte meist nicht auseinanderhalten, was sie selbst erlebt hatte und was sie durch die Worte, die nicht gesprochen wurden, erfahren hatte. Vielleicht war Mutter doch schon immer so kurzangebunden und gereizt gewesen, und jene andere, jüngere Mutter war nur ein Fragment ihrer Träume.
    »Sybillia! Hörst du nicht, was ich sage?«
    Sybillia warf einen letzten Blick auf den Himmel, der jetzt ein unergründliches, tosendes Meer aus Dunkelheit geworden war. Dann wandte sie sich um und ging ins Haus. Sie strich über die Schließvorrichtung, und die Läden falteten sich wie Plastikflügel über der Tür und den Fenstern zusammen. Der Holo war auf den örtlichen Reklamesender eingestellt. Ein fast transparenter Mann, nur mit grellfarbenen Shorts bekleidet, stand mitten in der Küche und pries ein neues Hundefutter an, während ein Geisterhund um seine Beine tanzte und immer durchsichtiger wurde, je weiter er sich vom Sendeunit in der Küchendecke entfernte. Mutter war dabei, den Küchenfreund für Zubereitung und Servieren des Abendessens sowie für die anschließende Geschirrbeseitigung zu programmieren.
    »Warum bist du so lange draußen geblieben, Sybillia?« fuhr Marleen das Mädchen an, wartete aber gar nicht erst auf eine Antwort. Die würde sie von Sybillia sowieso nicht bekommen. Weshalb war ausgerechnet ihr, verdammt noch mal, so ein Kind beschert worden? Alles Ludwigs Schuld! Er wollte ja unbedingt ein Kind haben! Er hatte sich von dem Alten unter Druck setzen lassen, und wie immer hatte dieser seinen Willen durchgesetzt – er hatte nicht lange Freude daran gehabt.
    Marleen runzelte die Stirn, während eine Reihe von Menüvorschlägen über den hellblau getönten Bildschirm wanderte. Einige waren mit Sternchen versehen, aber sie konnte ja auch nicht immer die gleichen Leibgerichte zubereiten lassen. Da sie in einer experimentierfreudigen Stimmung war, entschied sie sich für »brünstige Steaks in Chaumera-Soße«. Pflichtbewußt zeigte der Küchenfreund sogleich die vollständige chemische Analyse des gewünschten Menüs an und verglich die Bestandteile mit den Medico-Listen von Marleen und Sybillia, um sicherzustellen, daß es keine Stoffe enthielt, die für die beiden ungeeignet waren. Da dies nicht der Fall zu sein schien, gab Marleen zufrieden ihr »O.k.« ein. Der Küchenfreund machte sich an die Arbeit, und Marleen schaltete das Terminal aus.
    Ein anderer Mann stand jetzt in der Mitte der Küche. Er trug einen durchsichtigen Kunststoffanzug mit provozierend geformtem Hodenschutz. Seine Augen blitzten, als er sich Marleen zuwandte und sie mit wohltönender Stimme zu überreden versuchte, sofort das neue Prä-Sex-Parfüm Jungfräulich über den Holo (Bestellcode 69) anzufordern. Er schaute direkt in Marleens Augen, und jedesmal, wenn er seine unsichtbare Zuschauerin anredete, setzte der zentrale Hausunit automatisch »Marleen« ein.
    Marleen klopfte an die Wand, und der Holomann löste sich in eine Nebelsäule auf, die dann auch verschwand. Seine warme Stimme vibrierte wie ein spektraler Rest im Raum

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