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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Vielleicht Kleronomas. Ich beobachtete die starre Maske seines Gesichts. Im Kristall seiner Augen glaubte ich eine kleine unruhige Bewegung zu erkennen, und ich versuchte dahinterzukommen, was sie wohl bedeutete. »Es gibt im Seelenspiel keine Regeln. Aber ich habe Regeln aufgestellt für die Zeit danach, wenn ihr wieder in meinem Reich seid.
    Ihr, die ihr gegen euren Willen hier seid: Wenn ihr stark genug seid, die fleischliche Hülle, die ihr tragt, zu behalten, dann wird sie für immer euer sein. Ich schenke sie euch. Kein Gewinn wird mehr als einmal eingesetzt. Haltet also an eurem angeborenen Körper fest, und wenn es vorüber ist, wird Khar Dorian euch in die Welt zurückbringen, aus der er euch geholt hat, und er wird euch tausend Standardtaler und eure Freiheit schenken.
    Jene Mitspieler, die heute die Wiedergeburt erlangen, die am Ende mit einem fremden Körper aus diesem Spiel hervorgehen, sollen sich daran erinnern, daß jeder Gewinn und jeder Verlust ganz allein ihnen selbst zuzuschreiben ist. Also verschont mich mit reuevollem Gejammer und Vorwürfen. Wenn ihr mit dem Ausgang des Spiels nicht zufrieden seid, könnt ihr natürlich noch einmal spielen. Falls ihr den Einsatz aufbringt.
    Und noch eine letzte Warnung. An euch alle. Es wird weh tun. Es wird euch mehr Schmerzen bereiten als alles, was ihr euch vorstellen könnt.«
    Mit diesen Worten begann ich das Seelenspiel.
    Wieder einmal.
     
    Was läßt sich über Schmerzen sagen?
    Worte können höchstens einen Schatten der Sache selbst zeichnen. Die Realität des bohrenden, scharfen physischen Schmerzes ist mit nichts zu vergleichen, die Sprache reicht dafür nicht aus. Die Welt um uns ist uns ständig gegenwärtig, Tag und Nacht, doch wenn wir Schmerzen erleiden, wenn wir echte Schmerzen erleiden, schmilzt die Welt dahin, verblaßt und wird zu einem Gespenst, einer dunklen Erinnerung, etwas Törichtem, Unwichtigem. Welche Ideale, Träume, Lieben, Ängste und Gedanken wir immer gehabt haben mögen, alles wird absolut unwichtig. Wir sind allein mit unserem Schmerz, er ist die einzige Kraft im ganzen Kosmos, die einzige Substanz, das einzige von Bedeutung, und wenn der Schmerz schlimm genug ist und lange genug andauert, wenn er eine Art von endloser Agonie ist, dann schmelzen alle Dinge, die unsere Menschlichkeit ausmachen, dahin, und der stolze intellektuelle Computer, das menschliche Gehirn, ist nur noch eines einzigen Gedankens fähig:
    AUFHÖREN! AUFHÖREN!
    Und wenn der Schmerz schließlich nachgelassen hat, später, im Laufe der Zeit, wird selbst der Geist, der diese Erfahrung durchgemacht hat, nicht mehr in der Lage sein, es zu begreifen, wird sich nicht mehr erinnern können, wie schlimm es tatsächlich war, nicht fähig sein, es so zu beschreiben, daß es an die entsetzliche Wirklichkeit herankommt, wie es sich tatsächlich anfühlte, während es geschah.
    Beim Seelenspiel ist die Agonie des Schmerzes anders als jeder andere Schmerz, mit nichts vergleichbar, das ich je erlebt habe.
    Der Schmerz berührt nicht den Körper, er hinterläßt keine Spuren, keine Schrammen, keine Wunden, keine Anzeichen des Nachlassens. Er richtet sich direkt auf den Geist und löst eine Agonie aus, für die ich keine Worte finde. Wie lange dauert er? Das ist relativ. Er dauert den Bruchteil einer Mikrosekunde, und er dauert ewig.
    Die Weisheiten von Dam Tullian sind Meister in hundert verschiedenen Disziplinen des Geistes und des Körpers, und sie lehren ihre Schüler eine Technik, den Schmerz zu isolieren, sich davon abzuheben, ihn wegzuschieben und auf diese Weise zu transzendieren. Ich war schon mein halbes Leben lang Weisheit, als ich das erstemal das Seelenspiel spielte. Ich wandte alles an, was ich gelernt hatte, alle Tricks und alle Kenntnisse, in denen ich es zur Meisterschaft gebracht hatte und auf die ich mich verlassen konnte. Sie waren vollkommen unbrauchbar. Dies war kein Schmerz, der den Körper berührt, kein Schmerz, der durch die Nervenbahnen jagt, es war ein Schmerz, der den Geist so vollständig ausfüllt und so zerschmettert, daß nicht der winzigste Teil frei bleibt, um zu denken oder zu planen oder zu meditieren. Der Schmerz war man selbst, und man selbst war Schmerz. Es gab nichts, von dem man sich abheben konnte, keine stille Zuflucht der Gedanken, wohin man sich hätte zurückziehen können.
    Das Schmerzfeld war unbegrenzt und ewig, und aus dieser endlosen und unvorstellbaren Agonie gab es nur eine sichere Möglichkeit des Entrinnens. Das war

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