Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
niederzumetzeln? Daß sich zugleich etwas ganz anderes abspielt? Habt ihr deshalb die Menschen aus den ersten Lagern gerettet? Weil sie eine bestimmte Aufgabe in dem großen Plan hatten?«
    Chris hatte das Gefühl, daß er hier auf etwas ungemein Wichtiges gestoßen war. Auf den entscheidenden Punkt. Aber Loki hielt die Hand hoch und spreizte lächelnd drei Finger.
    »Keine Fragen mehr. Es ist soweit.«
    Der Kiel knirschte über Kies. Matrosen sprangen ins eiskalte Wasser und zogen das Boot auf den Felsenstrand. Gleich darauf war Chris voll damit beschäftigt, das Entladen des Materials zu überwachen. Aber seine Gedanken befanden sich in Aufruhr.
    Loki verbarg ihm etwas, lachte ihn aus, weil er der Wahrheit so nahe gekommen war und das Ziel doch verfehlt hatte. Die heutige Operation stellte mehr dar als nur den Versuch, ein paar fremde Götter zu töten.
    Hoch in den dunklen Baumkronen krächzte heiser ein Rabe. Der Zwerg, beladen mit einem Berg von Kisten, unter dem jeder Mensch zusammengebrochen wäre, rollte die Augen und stöhnte leise, aber Loki schien nicht darauf zu achten.
    »Irre Kulisse, Daddyo«, murmelte O’Leary, als er mit Chris den Zündmechanismus der Bombe hochhievte. »Echt Spitze.«
    »Genau.« Zum ersten Mal verstand Chris, was der Techniker meinte. »Echt Spitze.« Sie orientierten sich an den schwachen Leuchtmarkern, mit denen die Marineinfanteristen den Weg gekennzeichnet hatten, und marschierten los.
    Während sie einen schmalen Trampelpfad von der Küste herauf erklommen, spürte Chris in seinem Innern eine wachsende Spannung … das Gefühl, daß er sich hier und jetzt am Nabel der Welt befand. Wie immer das Unternehmen ausgehen mochte, es würde über das Schicksal der Erde entscheiden. Im Moment konnte er sich kein anderes Ende vorstellen, als die Insel von jeglichem Leben leerzufegen. Und wenn das hieß, daß er die Bombe eigenhändig zünden mußte – nun, es hatten nur wenige Menschen die Chance, ihre Haut so teuer zu verkaufen.
    Sie waren jetzt tief in den Wald vorgedrungen. Chris sah Schatten zwischen den Bäumen huschen, Marine-Soldaten, die sie und ihre kostbare Fracht bewachten. Wenn die Vorkriegskarten stimmten, dann mußten sie nur noch diese und die nächste Anhöhe erklimmen und vom Hügelkamm aus die Bombe zünden …
    Chris drehte sich um und suchte nach Loki – aber im gleichen Moment erfüllte gleißende Helle die Nacht. Leuchtbomben zischten und schwebten auf winzigen Fallschirmen langsam zu Boden. Männer hechteten in den Schatten, als Leuchtspurgeschosse sie plötzlich in Zielscheiben verwandelten. Von weiter vorne kamen heftige Gewehrsalven und laute Detonationen. Männer schrien.
    Chris warf sich hinter eine hohe Fichte, als ringsum Granatwerfer den Wald zerfetzten.
    Aus der Höhe vernahmen sie dröhnendes Gelächter, das selbst die Detonation übertönte.
    Chris umklammerte die Wurzeln eines Baumes und schaute nach hinten. Etwa zehn Meter entfernt lag der Zwerg flach auf dem Rücken, umgeben von rauchenden Trümmern. Dicht neben ihm hatte eine Granate eingeschlagen.
    Dann spürte er eine Hand auf seiner Schulter. O’Leary deutete den Hügel hinauf und wisperte mit weit aufgerissenen Augen: »Mann o Mann!«
    Chris wandte sich um und starrte den gewaltigen Riesen an, der den Hügel herabgeschritten kam, gefolgt von bewaffneten Männern. Er schleuderte eine gigantische Keule, die Bäume und Soldaten ohne jeden Unterschied niedermähte. Hohe Tannen zerknickten wie Streichhölzer. Männer wurden zu Brei zermalmt. Dann kehrte die Waffe von selbst in die Hand des rotbärtigen Asen zurück.
    Keine Granatwerfer, erkannte Chris. Thors Hammer.
    Von Loki war keine Spur zu sehen.

 
3
     
    »Aber, aber, Hugin! Hab keine Angst vor den dunklen Amerikanern! Sie werden dir nichts tun.«
    Das einäugige Geschöpf, das sich Odin nannte, saß auf einem Ebenholz-Thron. Auf seiner ausgestreckten Hand kauerte ein Rabe, dessen Gefieder ebenfalls die Farbe der Nacht hatte. Ein Edelstein in der Augenklappe des Riesen glitzerte, und es hatte den Anschein, als könne er damit schärfer sehen als mit dem verlorenen Auge. Quer über seinen Knien lag ein schimmernder Speer.
    Die beiden in Felle gehüllten Gestalten, die neben ihm standen, wirkten nicht minder imposant, der eine blond mit einer großen Axt, die er arrogant über die Schulter geschwungen hatte, der andere, ein Rotbart, lässig auf einen mannshohen Hammer gestützt.
    Wächter in schwarzem Leder, den Doppelblitz der SS am Kragen,

Weitere Kostenlose Bücher