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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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säumten in strammer Haltung den weiten Saal mit seinen grob behauenen Holzbalken. Selbst ihre Gewehre schimmerten schwarz. Den einzigen Farbtupfer an ihren Uniformen bildeten die roten Armbinden mit dem Hakenkreuz.
    Das Geschöpf namens Odin schaute auf die Gefangenen nieder, die aneinandergekettet am Boden der großen Halle kauerten.
    »Leider hat euch der arme Hugin nicht verziehen, meine amerikanischen Gäste. Sein Bruder Mumin starb, als Berlin unter euren höllischen Bombenangriffen brannte.«
    Das Auge des Göttervaters blitzte raubtierhaft. »Wer kann es meinem armen Wachvogel verdenken? Und wer verstünde nicht den Schmerz des leidgeprüften Vaters, der seinen strahlenden Sohn Heimdall in der gleichen Feuersbrunst verlor?«
    Die Überlebenden des gescheiterten Überfalls lagen erschöpft auf dem blanken Steinboden. Major Marlowe hatte das Bewußtsein nicht wiedererlangt und war nicht in der Lage, für sie zu antworten. Aber einer der britischen Freiwilligen sprang auf, rasselte zornig mit den Ketten und spuckte dem menschenähnlichen Geschöpf vor die Füße.
    »Higgins!« O’Leary versuchte den Mann am Arm zurückzuzerren, aber der Brite riß sich los und schüttelte die Faust.
    »Ja, sie haben deinen geliebten Sohn in Berlin erwischt! Und du hast zur Rache ganz London und Paris ausgelöscht! Ich behaupte, die Yanks waren feige, als sie daraufhin das Handtuch warfen! Sie hätten jedenfalls angreifen sollen, zu welchem Preis auch immer, und jede dieser arischen Huren mitsamt ihren Bastarden …«
    Sein wildes Aufbegehren verstummte, als ein Gestapo-Offizier auf ihn zutrat und ihn zu Boden schlug. SS-Soldaten prügelten mit ihren Gewehrkolben auf ihn ein.
    Schließlich winkte Odin sie zurück.
    »Schafft den Toten in die Mitte des Großen Kreises, auf daß er nach Walhall gelange!«
    Der Gestapo-Offizier schaute scharf auf, aber Odin fuhr in einem Tonfall fort, der keinen Widerspruch duldete: »Ich möchte diesen tapferen Mann an meiner Seite haben, wenn Fimbul-Winter bläst.« Damit war die Angelegenheit für ihn offensichtlich erledigt. Während die schwarzgekleideten Wächter die schlaffe Gestalt von den Ketten befreiten, kraulte der Allvater der Asen seinen Raben unter dem Schnabel und reichte ihm einen kleinen Fleischbrocken. Dann wandte er sich an den Rotbart, der neben ihm stand.
    »Thor, mein Sohn, die übrigen Kreaturen gehören Euch. Keine erlesene Beute, das gebe ich zu, aber sie haben einigen Mut bewiesen, als sie dem Lügner bis hierher folgten. Was werdet Ihr mit ihnen anfangen?«
    Der Riese strich über seinen Hammer. Die Stulpenhandschuhe, die er trug, hatten etwa die Größe von jungen Hunden. Neben Thor wirkte sogar Loki klein.
    Er trat einen Schritt vor und musterte die Gefangenen, als suchte er nach etwas ganz Bestimmtem. Als sein Blick auf Chris fiel, leuchteten seine Augen kurz auf. Seine Stimme erinnerte an das dumpfe Grollen eines Erdbebens.
    »Ich werde mich herablassen, mit dem einen oder anderen zu sprechen, Vater.«
    »Gut.« Odin nickte. »Werft sie allesamt in eine Grube!« wies er den SS-General in seiner Nähe an. Der Mann schlug die Hacken zusammen und verbeugte sich tief. »Die weiteren Befehle wird euch mein Sohn erteilen.«
    Die Nazis zerrten Chris und die anderen Überlebenden auf die Beine und schleppten einen nach dem anderen weg, aber nicht, ehe Chris mitanhörte, wie der Schöpfervater zu Thor sagte: »Versucht möglichst viel über diese Wolfsbrut Loki in Erfahrung zu bringen, ehe Ihr sie bei der Opferzeremonie benutzt!«

 
4
     
    In einem Punkt hatte der arme Major Marlowe recht gehabt. Ohne die Asen oder ähnlich starke Verbündete hätten die Nazis niemals gesiegt. Hitler und seine Schergen hatten wohl von Anfang geglaubt, daß ihnen die alten ›Götter‹ irgendwie beistehen würden, sonst hätten sie nie und nimmer gewagt, diesen Krieg anzuzetteln. Denn auch ihnen mußte klar gewesen sein, daß die Amerikaner ihren Invasionen nicht tatenlos zusehen würden.
    Und tatsächlich hatte man Anfang 1944 den Eindruck gewonnen, als sei alles vorbei. Natürlich gab es enorme Kriegslasten zu zahlen, aber kein Mensch glaubte mehr an eine Niederlage. Die Russen drängten vom Osten heran. Rom war besiegt; das Mittelmeer galt als Badewanne der Alliierten. Der Widerstand der Japaner brach Insel um Insel zusammen, während sich die größte Flotte aller Zeiten vor England versammelte, um den Ärmelkanal zu überqueren und die Nazi-Pest endgültig auszurotten.
    In den Fabriken

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