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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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H-Bomben kannte.
    Staub von Atom-Explosionen und Ruß von brennenden Städten – das war es, was die Alliierten fürchteten, weit mehr als die Strahlung oder Vergeltungsschläge der Nazis. Bereits jetzt hatte sich das Wetter beträchtlich abgekühlt.
    Und die Asen waren im Winter um so vieles stärker! Wissenschaftler bestätigten Lokis Worte, daß der leichtsinnige Einsatz der überlegenen Alliierten-Bomben nicht nur den Gegner schwächen, sondern letzten Endes zur Katastrophe führen würden.
    »Auch wir bevorzugen den ehrlichen Kampf.« Chris hoffte nur, daß der Ase an seine eigene Erklärung glaubte. »Kein Mensch wird gern von Mächten getötet, die er nicht begreift und gegen die er wehrlos ist.«
    Thors Grollen, so erkannte Chris, war ein leises Lachen. »Gut gesprochen, Wurm! Du züchtigst wie Frey mit Worten, die säen und ernten zugleich.«
    Der Ase beugte sich ein wenig vor. »Du könntest dir große Verdienste um mich erwerben, Kleiner, wenn du mir sagst, wo ich den Bruder der Lügen finde.«
    Die grauen Augen waren wie Eiswolken, und Chris spürte, wie seine Realität zu wanken begann, als er dem Blick des Riesen begegnete. Mit ungeheurer Willensanstrengung wandte er sich ab. Er schloß die Augen und entgegnete mit trockenem Mund:
    »Ich … ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht.«
    Das Grollen wurde dumpfer. Chris spürte eine rauhe Berührung und öffnete die Augen. Thor strich mit dem lederumwickelten Stiel des mächtigen Streithammers über seine Wange.
    »Von Loki, Kleiner. Sag mir, wo sich der Herr der Lügen aufhält, und vielleicht entgehst du deinem Schicksal. Vielleicht erringst du sogar einen Platz an meiner Seite. Und es wird in Zukunft kaum einen besseren Platz geben als an Thors Seite.«
    Diesmal hielt Chris den Blicken Thors stand, dem hypnotischen Strudel dieser Augen, die seine Seele anzogen wie ein Magnet das Eisen. Aber Chris kämpfte mit dem wilden Ungestüm des Hasses gegen ihre Macht an.
    »Nicht … um alle Valkyren in deinem beschissenen Götterhimmel, Fremdling!« wisperte er. »Lieber renne ich mit den Wölfen.«
    Das Lächeln verschwand. Thor riß die Augen auf, und einen Moment lang schien das Abbild des Asen zu wanken, als ob … sich hinter der Göttergestalt der Raum öffnete.
    »Dein Mut rettet dich nicht vor der Strafe für dein ungebührliches Benehmen, Wurm!« grollte Thor, und im nächsten Moment hatten sich seine Umrisse wieder verfestigt.
    Mit einem Mal empfand Chris Dankbarkeit, daß er O’Leary kennengelernt hatte.
    »Mensch, Mann, du siehst das immer noch mit einem totalen Knick in der Optik! Ich glaube nicht an dich, kapisko? Da, wo du herkommst, Baby, haben sie dir vermutlich den Stuhl vor die Tür gesetzt!
    Vielleicht bist du wirklich fies genug, unsere Welt kaputt zu machen, aber irgendwo riecht es gewaltig danach, daß du auf den Putz haust. Du heilige Einfalt! Hast wahrscheinlich Papis fliegende Untertasse geklaut und bist mit dem letzten Saft hierhergetuckert!«
    Er schüttelte den Kopf. »Hörst du, Mann, ich weigere mich ganz einfach, an dich zu glauben!«
    Die eisgrauen Augen waren einen Moment lang riesengroß. Dann wich Thors verblüffter Ausdruck einem Lächeln. »Deine übrigen Beleidigungen habe ich nicht verstanden. Aber dafür, daß du mich einen Menschen genannt hast, sollst du noch vor Sonnenaufgang sterben.«
    Er erhob sich und legte Chris jovial eine Hand auf die Schulter. In der freundschaftlichen Geste steckte die Gewalt einer Schraubzwinge.
    »Ich möchte nur noch eines hinzufügen, Kleiner. Wir Asen sind hier, weil man uns gerufen hat, und wir kamen nicht mit Schiffen – auch nicht mit Sternenschiffen –, sondern auf den Schwingen des Todes selbst. Die Gunst dieses Wissens gewähre ich dir in Anerkennung deiner Tapferkeit.«
    Pelze wisperten, Luft rauschte, und der Fremdling war gegangen. Chris blieb allein zurück. Er starrte in die Glut, bis sie zu Asche zerfiel.

 
6
     
    Die germanischen Priester trugen wallende schwarzrote Gewänder, die mit silbernen und goldenen Emblemen verziert waren. Auf ihren ohnehin schweren Helmen thronten Platinadler mit gespreizten Schwingen. Sie marschierten um einen großen Steinkreis und sangen dazu in einer Sprache, die vage deutsch klang, die jedoch, wie Chris wußte, viel älter war.
    Neben einem lodernden Feuer erhob sich ein Altar mit aufgesperrten Drachenmäulern. Rauch stieg wirbelnd in die Höhe und riß helle Funken in den Vollmond-Himmel. Die Hitze strahlte bis zu dem Ring von Gefangenen, die

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