Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
Lieferanten unter Druck zu setzen. Der Handel mit Antiquitäten war nicht verboten. Es war ja überhaupt nichts direkt verboten. Es wurde nur nicht gern gesehen. Privater Handel, hatte der Soz-Ing. erklärt, sei ›sozial unangepaßt‹, zeuge von ›Denken, das der Linearität verhaftet sei‹. Linearität war das Schlimmste von allem. Wie Unzucht mit Tieren oder so. Und wenn es bekannt wurde, war es natürlich ›ein Symptom‹. Für Berger ein Symptom, wieder einmal ein paar Milligramm von Z7 zu schlucken oder sonst was vom neuesten Design. Darauf hatte er keine Lust.
    »Ich krieg’ nur Schwierigkeiten«, sagte Walldorf immer. Mit diesem Satz eröffnete er jede geschäftliche Verhandlung. »Und Sie natürlich auch, Berger. Ich glaube, wir sollten es lieber sein lassen. Vor allem bei dem Preis. 300! – Du meine Güte! Bei 150 könnten wir notfalls sagen, es ist nur eine Vergütung für die Unkosten, die Sie hatten, gar keine richtige … Bezahlung. Aber bei 300 …« Mit solchen Sprüchen versuchte er, den Preis zu drücken. Walldorf konnte für den halbantiken Mixer leicht 3000 verlangen. Genau wußte er es natürlich nicht. Leutold nannte den Preis. Er habe so etwas gehört. Berger glaubte es. 1000% Gewinn zu machen, paßte zu Walldorf. Wenn Sie ihn als Zwischenhändler ausschalten konnten, waren sie ›gemachte Leute‹. Leutold lächelte bei dieser Formulierung. Berger wußte immer so schöne alte Wörter. Aber es gelang ihnen nie, auch nur an einen einzigen von Walldorfs Kunden direkt heranzukommen. Er dachte an Leutold. Leutold war ein guter Mensch gewesen, daß er ihm das Radio vermacht hatte. Leutold hat es für ihn aufgehoben, extra, weil er gedacht hatte, es sei ein zu großer Brocken, und Walldorf würde ihn übers Ohr hauen …
     
    Er mußte eingeschlafen sein, denn im Traum sagte jemand zu ihm: »Paß auf, Berger, bitte … du mußt …« Er wachte auf. Im Zimmer war nur das Rauschen des Radios.
    Nicht irgend jemand hatte das gesagt. Seine Frau hatte das gesagt. Seine Frau Martha, die seit 13 Jahren tot war. Es war dunkel um ihn. Ich muß das Licht anmachen, dachte er. Ich muß nur aufstehen und das Licht anmachen. Wachträume nennt man das. Kann vorkommen wenn … »Paß bitte auf, denn …« Rauschen. »… du weißt …« Rauschen. »… ich habe dir … Wohnzimmer …« Rauschen. Berger richtete sich langsam auf. Er war nun überzeugt, daß er nicht träumte. Er spürte die Matratze unter sich. Das Fenster leuchtete als mattes Rechteck in der Finsternis. Er stand auf und schaltete die Stehlampe ein. Geschenk von Martha zu seinem 50igsten. Und jetzt redet Martha im Radio. Wieso? Sie war doch tot. Vielleicht war er noch nicht ganz wach. Aber hätte er dann über Tagträume nachdenken können?
    »… Berger«, sagte Martha aus dem Radio. Schwach, von weither, aber ihre Stimme.
    »… später … ich kann … Dienstag …« Er setzte sich vor den Apparat und starrte auf das grüne magische Auge. Dann griff er zum Abstimmknopf. Zuckte zurück. Nichts verstellen! Bloß nicht! Es konnte ja sein. Es klang, als ob er lachte und das Lachen unterdrückte, weil es nicht angemessen war; aber es war kein Lachen. Ein heiseres, sehr leises Schluchzen, das sich irgendwie in den Tiefen seines Brustkorbs bildete und keinen schönen Ausgang fand. Er begann zu zittern. Zuerst mit den Händen. Dann lief das Zittern die Arme hinauf zum Kopf und wieder den Körper hinunter, auch das Schluchzen fand den richtigen Weg, laut, ehrlich und angemessen. Seine Frau Martha schickte ihm eine Botschaft. Aus dem Jenseits. Sie war nicht gestorben und sie hatte ihn nicht vergessen. Vielleicht hatte Leutold … das würde alles ändern … Das magische Auge wurde größer und verschwamm zu einem unscharfen, annähernd kugelförmigen Gebilde, in dem sich unaufhörlich kleine, nicht klassifizierbare Dinge zu drehen schienen. Dann wurde es dunkel; alles wurde dunkel.
     
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Dr. Lennart. »Bei seinem Alter ist das eine normale Komplikation. Ehrlich gesagt, ich hab’ es kommen sehen … schon lange.«
    Die Frau schien ihm gar nicht zuzuhören. Sie saß am Tisch und spielte abwesend mit einem Kaffeelöffel. Sie mochte den Doktor nicht. Dr. Niederer hatte sich für unzuständig erklärt und mit merkwürdigem Eifer diesen Lennart empfohlen. Ein Spezialist sei das, genau richtig für solche Fälle.
    Dr. Lennart machte entschlossen seine Tasche zu.
    »Ihr Vater wird das überstehen, glauben Sie mir. Daß

Weitere Kostenlose Bücher