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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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etwas zu mir.« Er schaute sie glücklich an.
    »Funktioniert es?« sagte sie, aus Gewohnheit übermäßig laut. »Kannst du mich verstehen?«
    »Ich kann wieder hören!« rief er. »Ich kann wieder hören! Ein Wunder!« Frau Duiker sah, wie seine Augen leuchteten. »Anna, hörst du mich? Ich kann wieder hören!« Er packte sie und küßte sie auf beide Wangen.
    Frau Duiker seufzte, und ihr stiegen die Tränen in die Augen. »Onno«, sagte sie, »Onno«, und preßte seine Hände zwischen die ihren. »Ich weiß nicht, was ich … Oh, Onno, wie schön!« Und dann sah sie den Androiden an. »Danke … äh … Herr Bally, herzlichen Dank für das, was Sie für meinen Mann getan haben.«
    »Ich freue mich auch darüber, Frau Duiker«, sagte er, »und weil für Sie heute ein Jubiläumstag ist, wäre es mir eine große Ehre, Ihnen ein Festmahl zubereiten zu dürfen.«
    Der Alte schneuzte sich die Nase. »Was meinst du, Mädchen«, fragte er, »sollen wir …?« Aber es war schon beschlossene Sache. Er stolperte zum Glasschrank, und seine Hand zitterte, als er zwei Gläser aus der Flasche einschenkte, aus der sie sonst nur sonntags ein kleines Schlückchen tranken.

 
5
     
    Der alte Herr Duiker hatte sich immer noch nicht an das grelle Licht gewöhnt, das tagsüber durch das Fenster fiel. Doch wenn die Sonne in den Raum schien, setzte er sich in den Sonnenschein, so sehr gefiel es ihm, daß dann die Wärme durch seine Kleider drang.
    Der Roboter erledigte die ganze Arbeit für sie. Er nahm ihnen auch den wöchentlichen Einkauf in der Passage ab, der immer so ermüdend und gefährlich gewesen war. Sie hatten nun viel mehr Zeit als früher zur Verfügung, und trotzdem vergingen die Tage wie im Fluge. Das lag nicht nur an der Uhr, die Bally repariert hatte und die nun auf dem Kaminsims fröhlich vor sich hintickte, und auch nicht nur am Damespielen – der Roboter spielte zwar gut, aber Duiker gewann trotzdem meistens. Noch viele andere Dinge hatten sich in ihrem Leben verändert.
    Sein kleines Frauchen hatte einen alten Pullover aufgetrennt, um einen neuen daraus zu stricken. Bally sollte nicht jeden Tag mit der gleichen verschlissenen Jacke herumlaufen müssen. Und das Klappern ihrer Stricknadeln klang fast genauso fröhlich wie das Ticken der Uhr, ja geradezu aufregend. Nach dem Mittagsschläfchen gab das Menschlein dem Roboter Unterricht. Er konnte schon die ersten sechzehn Takte ihrer Solosonate für Bratsche spielen. Duiker war zwar nicht besonders musikalisch, aber er hörte Bally gerne beim Spielen zu.
    Der Roboter hatte schon nach wenigen Tagen den Holo wieder funktionsfähig gemacht, und jetzt saßen sie nach dem Abendessen gesellig beisammen und sahen Holo, bis die Sonne unterging und sie müde wurden. Seltsam, dachte er, daß sie jahrelang soviel Angst vor der Außenwelt gehabt hatten. Natürlich gab es Mörder und viel Gewalt, aber es gab auch schöne und erfreuliche Dinge, Dinge, über die man lachen konnte, sogar sein kleines Frauchen. Und das Allerbeste war, daß er jetzt alles hören konnte.
    Bally hatte einen Kalender gezeichnet, auf dem sie jeden Tag anstrichen. Alles mögliche war aus dem Dielenschrank zum Vorschein gekommen, darunter auch Dinge, die sogar der Roboter nicht reparieren konnte; doch mit seinen geschickten Fingern machte er Kunstwerke daraus (allerdings etwas eigenartige), die das Zimmer mit Leben erfüllten, so daß sie nicht mehr das Gefühl hatten, ihr Leben würde allmählich immer mehr verstauben.
    Duiker dachte, ihm wäre so, als ob auch durch ihre Körper neue Säfte strömten, denn schon in der Nacht nach Ballys Festmahl hatten sie sich – vielleicht benebelt von einem etwas zu großen Glas Jenever – bis zum Morgengrauen unterhalten. Wie lange war es wohl schon her, seit er das letzte Mal einen Sonnenaufgang erlebt hatte! Sie hatten einander im Bett angefaßt und waren eng aneinandergeschmiegt eingeschlafen. Er duschte sich jetzt auch wieder jeden Tag; sie konnten sich das jetzt erlauben, denn weil sie bei Sonnenlicht lebten, brauchte der Kamin nicht ständig eingeschaltet zu werden, und dadurch sparten sie sehr viel Energie.
    Miteinander schlafen, das war eine andere Sache. Ihre Körper waren alt und ausgetrocknet. Trotzdem hatte er es eines Abends in einer sentimentalen Stimmung versucht … »Nicht doch, du verrückter Kerl«, hatte sie geflüstert, aber sie hatte ›keinen ernsthaften Widerstand geleistet‹, wie sie das früher unter Studenten genannt hatten. Aber als er im

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