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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Hände aus und mustert sie.
    »Ja, er liebte sie. Er liebt sie immer noch.«
    »Rede keinen Unsinn!« schreit Amanda. Dann beginnt sie unvermittelt zu lachen. »Du sprichst, als könnte dieser Hampelmann die Musik genießen.«
    »Höre mir zu, Amanda! Ich weiß, daß es seltsam ist, aber ich habe selbst gesehen, wie er im Takt genickt und mit den Fingern geschnippt hat. Er wirkte echt, Amanda. Er wirkte wie Viktor.«
    »Es wäre besser, wenn du dieses Haus nicht mehr betrittst.« Sie springt auf. »Sonst wirst du auch noch verrückt!«
    Bei der plötzlichen Bewegung ist sie an das Tischchen gestoßen, die Zeitschrift fällt hinunter, und die Hypnophen-Zigarette rollt über den Fußboden.
    John hebt sie auf und wird blaß. Er schüttelt stumm den Kopf, betrachtet die Zigarette, ballt die Faust, als wolle er sie zerdrücken, legt sie aber dann ruhig auf das Tischchen. Er schweigt immer noch und kehrt Amanda den Rücken.
    »Na und? Steh nicht da wie ein Zinnsoldat!« Amanda hat die Hände in die Hüften gestemmt. »Wenn du die Absicht hast, mir die übliche Szene zu machen, dann fang gleich damit an!«
    Er schluckt mühsam. »Du hattest es mir versprochen, Amanda!«
    »Daß ich kein Hypnophen mehr rauchen werde?« Ihr Ton ist jetzt verächtlich, herausfordernd. »Ich habe das Versprechen nie gehalten. Und ich habe auch nicht die Absicht, damit aufzuhören.«
    »Du wirst dich damit zugrunde richten, Amanda!«
    »Die alte Leier. Du solltest lieber gelegentlich auch ein wenig Hypnophen rauchen, statt an den Abenden schweigend, mit steinernem Gesicht dazusitzen.«
    »Du weißt ja nicht, was du sagst. Du begreifst nicht, daß dir der Alltag immer leerer erscheinen wird, je länger du diesem Laster verfallen bist. Auf diese Art wirst du alle Lebensfreude verlieren.«
    »Lebensfreude! Hast du dich jemals gefragt, warum jemand beginnt, Hypnophen zu rauchen? Antworte! Du verwechselst Ursache und Wirkung, John. Man fängt nämlich deshalb an, weil einem die Lebensfreude schon vor geraumer Zeit abhanden gekommen und weil alles leblos, eintönig, bedeutungslos geworden ist.«
    »Ich bitte dich!« beschwört sie John. »Was du da tust, ist eine Schande. Ich gebe zu, daß ich dich vielleicht gelegentlich vernachlässigt, daß ich mich vielleicht verändert habe. Aber auch du bist nicht mehr die gleiche. Also? Ich mache keine Tragödie daraus! Ich beginne nicht zu trinken. Aber du … du hast überhaupt keine Willenskraft, wenn du dieser künstlichen Euphorie so leicht verfällst.«
    Amanda ist blaß geworden.
    »Heb dir deine Moralpredigten für deine Schwester auf!«
    »Amanda!«
    »Deiner Meinung nach ist es eine Schande, wenn man Hypnophen raucht. Möglich. Es ist ein künstliches Paradies, wie du gesagt hast. Aber Edith? Ist das, was Edith tut, nicht schlimmer?«
    »Red keinen Unsinn!«
    »Es ist kein Unsinn. Bei Edith ist es schlimmer.«
    Amanda geht zwei, drei Mal um das Zimmer, dann bleibt sie vor John stehen und sieht ihn mit einem rätselhaften Gesichtsausdruck an. John betrachtet sie besorgt. »Wie verbringen sie deiner Meinung nach die Zeit, John?«
    »Na ja, sie hören Musik.«
    »Und dann?«
    »Und dann unterhalten sie sich. Du weißt ja, daß Viktor spricht.«
    »Nenne ihn nicht Viktor!« kreischt Amanda hysterisch. Die Aufregung zwingt sie zu einer langen Pause, sie reißt sich mit Mühe zusammen, dann klingt ihre Stimme weich, ironisch: »Ja, sie hören Musik und sprechen. Glaubst du nicht, daß sie noch etwas tun?«
    »Vielleicht. Er wird vermutlich – natürlich innerhalb gewisser Grenzen – auch Poker oder Schach spielen können.«
    »Sei doch nicht so naiv, John! Ich habe von etwas anderem gesprochen. Willst du nicht verstehen?«
    John schüttelt angewidert den Kopf. »Gib acht, Amanda! Du gehst zu weit.«
    »Sie hat es mir selbst erzählt!« erklärt die Frau triumphierend.
    »Du lügst. So etwas kann sie dir doch nicht gesagt haben.«
    »Und ob sie es getan hat.«
    »Du wirst etwas mißverstanden haben.«
    »Bestimmt nicht. Wohlverstanden, Edith hat es nicht eigentlich zugegeben, aber ich habe sie sehr gut verstanden. Gestern. Ich habe es gewissen kleinen Andeutungen entnommen, wie sie nur Frauen machen können … Ich würde lieber sterben, als mich von diesem Monster berühren lassen.«
    »Ich bitte dich!« wiederholt John beinahe flehend. »Hör auf, solche Dummheiten zu erzählen! Ediths Gemütszustand ist einfach gestört. Sie hat ihren Mann geliebt, hat ihn verloren und kann sich nicht damit abfinden.

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