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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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billige Nachahmungen von Modellkleidern an Boutiquen verkaufte, bezichtigte er, vor dem Schaufenster der Reinigung Kleider-Rollständer abzustellen, um deren Geschäftsgang zu behindern. Eines Abends, im Spätsommer des Jahres 2037 hatte Wasserman mit roter Farbe Striche auf den Bürgersteig gemalt, um sein Revier zu kennzeichnen. Als sich die beiden Nachbarn nicht um diese Markierungen kümmerten, hatte er sich in die Tür seines Ladens gestellt und Beschimpfungen gegen sie und deren Kunden ausgestoßen, bis ihn entweder seine Frau oder die Wut seiner beiden Nachbarn zur Ruhe brachte. Aus den Gerichtsunterlagen der Stadt New York geht hervor, daß am 24. März 2038 Klage gegen ihn erhoben und er wegen Beschädigung öffentlichen Eigentums und Bedrohung anderer mit einer Geldstrafe belegt worden war.
    Zu jener Zeit beschäftigte er drei Angestellte. Eine davon, Mrs. Sarah Fromm, kündigte im Frühsommer 2039. Sie war eine gute Näherin und hatte ein besonderes Gespür für das Zusammenspiel von Farben und Materialien, was für das Ausbessern von Abendkleidern sehr wichtig war. Das läßt es als verständlich erscheinen, daß alle Zeugen ihren Weggang übereinstimmend als schweren Schlag für Wassermans Geschäft bezeichneten. Auf späteres Befragen hin nannte Mrs. Fromm verschiedene Gründe für ihre Entscheidung, räumte aber ein, sie habe Wassermans unbeherrschtes Gebaren, das auch vor gelegentlichen Beschimpfungen nicht Halt machte, als belastend empfunden. Er habe ihr vorgeworfen, sie arbeite zu langsam und schlampig, lasse einen Mangel an Bereitschaft zur Mitarbeit erkennen und sehe schlecht – und im nächsten Augenblick habe er ein Maß an Hingabe und Einsatzbereitschaft von ihr erwartet, als sei sie am geschäftlichen Erfolg des Unternehmens beteiligt. Er reagierte verständnislos auf ihre Kündigung und tat ihren Entschluß als Laune ab. Als sie ihm klar zu machen versuchte, daß es ihr damit ernst war, beschimpfte er sie wüst und erklärte: »Verschwinden Sie, bevor Sie mein Geschäft vollständig ruiniert haben!«
    Auch das schien er völlig vergessen zu haben, bis sie ihm beim dritten Mal erklärte, ihr Entschluß sei unabänderlich. Er war wie ausgewechselt, zerfloß in Tränen und flehte sie an, zu bleiben. Obwohl dies Verhalten sie rührte, ließ sie sich davon nicht erweichen. Sie bemerkte bei dieser Gelegenheit eine seltsame Veränderung in Wassermans Haltung: er wurde zugänglich und verständnisvoll, erklärte, wie sehr er ihre jahrelange Arbeit zu schätzen wisse, vereinbarte mit ihr einen Zeitpunkt für ihr Ausscheiden und arrangierte sogar eine kleine Feier zu ihrer Verabschiedung.
    Bei dieser Feier wurde Mrs. Fromm endgültig etwas klar, was sie lange nicht hatte wahrhaben wollen: daß nämlich ihr Arbeitgeber nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war. Er stellte, offenbar mit erheblichem Aufwand, einen Kuchen her, der mit seinem gewöhnlichen Zuckerguß wie jeder andere Kuchen aussah, darunter aber in einer Kunststoffhülle nichts als komprimierte Luft enthielt. Als Mrs. Fromm den Kuchen anschnitt, flog unter leichtem Knall Zuckerguß in alle Richtungen. Sekunden später knallte unmittelbar an ihrem Ohr ein Champagnerkorken, so daß sie erneut erschrak.
    Wasserman sah das Ganze als harmlosen Scherz an, schien bester Laune zu sein und bestand auf der Fortsetzung der Feier. Mrs. Fromm aber wollte nicht länger bleiben. Da sie noch schlimmere Streiche befürchtete, trennten sich die beiden im Unfrieden.
    Wassermans Unternehmen war ebenso wie auf die beiden verbleibenden Angestellten (eine Näherin und einen älteren Mann, der die Kunden bediente), auf zwei Schreit-Roboter angewiesen. Der eine war allgemein für die Maschinen und das Reinigen der Kleider zuständig, der andere für das Abholen der Kleider bei den Kundinnen und die Zustellung der gereinigten und ausgebesserten Stücke. Die Roboter waren Serienmodelle der Marke Ford, der eine drei, der andere sechs Jahre alt. Wasserman hatte beide über den zuständigen Ford-Händler bezogen und finanzieren lassen. Ausgerüstet waren sie mit einem Standardspeicher, einer ZSE (Zentrale Steuer-Einheit) sowie mit Programm-Moduln. Außerdem hatte Wasserman selbst sie auf dem Wege verbaler Instruktion für spezielle Aufgaben programmiert: in erster Linie ging es dabei um Reinigungsverfahren, die Namen von Angestellten, die ermächtigt waren, ihnen Aufträge zu erteilen, um Anweisungen darüber, wie beim Transport und bei der Zustellung zu

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