Wassermelone: Roman (German Edition)
Kate fester an mich. Mein wunderbares, schönes Kind.
Dann aber wollte sie gefüttert werden. Also stand ich auf und zog mich rasch an, wobei ich über den Kleiderstapel auf dem Fußboden stolperte. Und wir gingen beide nach unten.
Dort herrschte sichtlich Unfriede.
Anna, Mum und Helen saßen am Tisch, auf dem ein buntes Durcheinander aus Frühstücksresten, Törtchen, Teebechern, Packungen von Frühstücksflocken und Einwickelpapier von Schokoladekeksen ausgebreitet war.
Mum und Helen stritten laut miteinander. Anna lächelte selig und spielte mit einem Gänseblümchen und einer Büroklammer.
»Ich weiß nichts von einem grünen Schal und grünen Handschuhen«, sagte Mum hitzig zu Helen.
»Aber ich hab sie auf den Kühlschrank gelegt«, begehrte Helen auf. »Was hast du damit gemacht?«
»Wenn du sie da hingetan hättest, wo sie hingehören, wüsstest du jetzt, wo sie sind«, erklärte ihr Mum ungerührt.
»Sie gehören aber auf den Kühlschrank«, gab Helen zur Antwort. »Da leg ich meine Sachen immer hin.«
»’n Morgen«, sagte ich freundlich. Niemand nahm von mir Notiz.
Ohne erkennbaren Grund stand die Hintertür sperrangelweit offen, und sibirisch kalte Morgenluft drang in die Küche. Was sollte das?
Immerhin hatte ich ein Kleinkind im Hause. Wir würden uns alle den Tod holen. Rasch ging ich hin, und während ich Kate mit einer Hand hielt, gelang es mir, die Tür mit der anderen zu schließen und zu verriegeln.
»Das hättest du besser nicht getan«, sagte Anna orakelhaft. Ich sah sie überrascht an. Selbst für Anna fand ich es etwas früh am Tag, sich in mystische Geheimnisse zu hüllen.
»Warum?«, fragte ich sanft und wollte auf sie eingehen. »Wird mich die Morgengöttin bestrafen, weil ich ihr den Eintritt in unsere Küche verwehrt habe?«
»Nein«, sagte Anna und sah mich an, als hätte sie es mit einer Verrückten zu tun.
Im selben Augenblick hörte man auf der anderen Seite der Hintertür unterdrücktes Fluchen. Bemerkenswerte Ausdrucksweise für die Morgengöttin, das muss man schon sagen.
Jemand oder etwas schien sich über die verschlossene Tür ziemlich zu ärgern.
Seufzend tappte Anna hin und öffnete sie.
MeinVater trat auf die Schwelle, fast vollständig hinter dem riesigen Stoß Wäsche verborgen, den er im Arm hielt.
»Wer hat die verdammte Tür zugemacht?«, brüllte er durch den Berg Hosen und Pullover.
»Ich hätte es mir denken können, dass du was damit zu tun hast«, fauchte er die arme Anna an, die noch die Türklinke in der Hand hatte.
»Nein, Dad, das war ich«, sagte ich hastig. Annas Unterlippe hatte zu zittern begonnen; es sah ganz so aus, als würde sie im nächsten Augenblick in Tränen ausbrechen.
»Und zwar, weil uns kalt war«, erklärte ich, als er mich gekränkt ansah. »Nicht weil ich dich hätte aussperren wollen.«
Mein Gott, was für ein Haufen Neurotiker!
Verglichen mit meiner Familie war ich richtig normal.
»So, Helen«, sagte mein Vater und warf den gesamten Kleiderhaufen auf den Tisch, ohne sich um die halbaufgegessenen Toastscheiben und die Cornflakesschüsseln zu kümmern, die noch darauf standen. »Welche von diesen Klamotten willst du mitnehmen?«
»Warum bist du nur so schwierig?«, fragte Mum. »Dein ganzes Zimmer ist voller Sachen, aber du musst unbedingt das haben, was in der Waschmaschine oder auf der Wäscheleine ist.«
Helen lächelte wie ein Kätzchen. Es gefiel ihr, wenn man sagte, dass sie schwierig sei. Es gab ihr das Gefühl, mächtig zu sein. Was sie auch war.
Mit selbstzufriedenem Lächeln fischte sie einige Kleidungsstücke aus dem Haufen, der auf dem Tisch lag, und gab sie Dad.
»Was soll ich damit?«, fragte er überrascht.
»Die sind nicht gebügelt«, sagte sie. Auch ihre Stimme klang überrascht.
»Ach, und jetzt soll ich die wohl bügeln?«, gab mein Vater zurück.
»Willst du mich etwa mit zerknitterten Sachen nach Belfast schicken?«, fragte Helen empört. »Du weißt, dass ich eine Botschafterin der Republik Irland bin. Da kann ich nicht gut in Lumpen nach Belfast fahren. Sonst meinen die noch, alle Katholiken sind dreckig und schlampig.«
»Schon gut, schon gut«, rief mein Vater und hob die Arme, als müsse er sich gegen ihren leidenschaftlichen Appell zur Wehr setzen.
Der arme Mann. Er kam nicht gegen sie an.
Allmählich trat Ruhe ein. Wir begannen, Toast zu essen, Kaffee zu trinken und uns – im weitesten Sinne des Wortes – zu unterhalten.
»Ratet mal, bei wem ich in Belfast wohne?«, fragte
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