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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Helen übertrieben beiläufig und gelangweilt. Diesen unschuldigen Ton kannte ich. Ärger lag in der Luft.
    »Bei wem denn?«, fragte Anna.
    »Bei Protestanten«, gab sie leise und ehrfürchtig bekannt.
    Mum schlürfte weiter ihren Tee.
    »Hast du nicht gehört, was ich gesagt hab?«, wandte sich Helen gereizt an sie. »Ich hab gesagt, dass ich im Haus von Protestanten wohne.«
    Gelassen hob meine Mutter den Blick.
    »So?«
    »Ja, hassen wir denn nicht alle Protestanten?«
    »Nein, Helen, wir hassen niemanden«, erklärte ihr Mum in einem Ton, als spräche sie mit einer Zehnjährigen.
    »Nicht mal Protestanten?«
    Helen war entschlossen, einen Streit vom Zaun zu brechen, koste es, was es wolle.
    »Nein, nicht mal Protestanten.«
    »Und was ist, wenn ich unter ihren Einfluss gerate, ganz komisch werde und anfange, Ikebana zu machen?«
    Irgendwann musste Helen eine merkwürdige Vorstellung davon erworben haben, wie Protestanten waren. Irgendeine sonderbare Mischung aus Beelzebub und Miss Marple.
    Natürlich hatten sie Hörner, gespaltene Hufe, außerdem spien sie Feuer und machten ihre eigene Marmelade.
    »Meinen Segen hast du«, sagte Mum freundlich.
    »Und wenn ich nicht mehr in die Messe gehe?«, stieß Helen in gespieltem Entsetzen hervor.
    »Du gehst doch sowieso nicht«, sagte Anna. Es klang verwirrt. Ein angespanntes und unfreundliches Schweigen folgte.
    Zum Glück rettete Kate die Situation, indem sie wie verrückt zu schreien begann. Wahrscheinlich hatte sie die unbehagliche Stimmung gespürt.
    Ihr dürfte eine große Zukunft als Mitarbeiterin der Vereinten Nationen oder als Diplomatin bevorstehen.
    Alles rannte durcheinander, um ihr Fläschchen fertig zu machen, wobei Anna und Helen in ihrer Hilfsbereitschaft fast übereinandergestolpert wären.
    Dad holte das Bügelbrett. Er machte aus dem Bügeln eine sehenswerte Veranstaltung und drückte den Dampfknopf am Eisen so lange, bis die Küche einer Sauna ähnelte. Meine Mutter saß da wie ein steinernes Denkmal.
    Nach einer Weile aber kam auch in sie Leben. Sie machte sich daran, den Tisch abzuräumen, und warf verärgert kalten, zähen Toast in den Mülleimer.
    Schade, denn ich mochte kalten, zähen Toast. Aber so dumm war ich nicht, meiner Mutter in die Quere zu kommen, kurz nachdem man ihr erklärt hatte, eine ihrer Töchter gehe nicht zur Messe. Nicht einmal dann, wenn es sich bei jener Tochter nicht um mich handelte.
    Allmählich normalisierten sich die Dinge wieder, wobei man »normal« ausgesprochen subjektiv sehen muss. Was für den einen die normale heimische Umgebung ist, ist für den anderen chaotisch, anarchisch und ausgesprochen ungesund.
    Helen mochte noch so tief ins Fettnäpfchen getreten sein, lange ließ sie sich davon nie beeindrucken.
    Schon nach wenigen Augenblicken ging das idiotische Gerede wieder los.
    »Wie es wohl in Belfast ist?«, überlegte sie laut. »Was ist, wenn sie mich umbringen? Da kann doch alles Mögliche passieren. Die könnten mich erschießen oder in die Luft sprengen. Vielleicht seht ihr mich jetzt zum letzten Mal.«
    Stumm vor Ergriffenheit schauten wir sie alle an. Selbst Kate schwieg. So viel Glück würden wir bestimmt nie haben.
    »Oder vielleicht entführt man mich«, sagte sie verträumt. »Wie Brian Keenan. Der hat auch zwei hässliche Schwestern!«, sagte sie triumphierend und war entzückt, eine Parallele zwischen sich und einem Entführungsopfer entdeckt zu haben.
    »Nur dass ich vier hässliche Schwestern habe«, sagte sie gedankenverloren. »Aber das ist nicht weiter tragisch.«
    »Sie sind nicht hässlich«, sagte Mum empört.
    »Danke, Mum«, sagte ich und grinste zu Helen hinüber.
    »Ja, Mum, danke«, sagte Anna.
    »Ich rede nicht von euch «, sagte unsere Mutter ärgerlich, »sondern von Brian Keenans Schwestern.«
    »Oh«, sagte ich gedämpft.
    Helen sprach immer noch von der Möglichkeit, entführt zu werden. Mein Herz verkrampfte sich vor Mitleid mit dem potenziellen Entführer.
    Wer auch immer Helen entführte, würde ziemlich schnell zu der Überzeugung gelangen, dass man ihn in eine Falle gelockt hatte und Helen eine Art fürchterlicher Geheimwaffe war, die die Aufgabe hatte, die Organisation der Entführer von innen heraus zu zerstören.
    Helen hatte vor nichts Angst. Sogar wenn man sie in einem kleinen schmutzstarrenden Keller anketten und von einem bis zu den Zähnen bewaffneten muskelbepackten, sehnigen Fanatiker mit glühenden Augen bewachen ließe, würde sie mit ihm eine Unterhaltung

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