Wassermelone: Roman (German Edition)
Gleichzeitig aber überlegte ich voll Entsetzen, wann er dieses »bisschen Zeit« mit ihr verbringen wollte.
Sollte er nach Dublin gekommen sein, um Kate mit nach London zu nehmen, musste er sterben. Ganz einfach.
Er hatte bisher die Rolle des abgöttisch liebenden Vaters nicht gespielt, was also wollte er?
»Kaffee?«
»Was?«, fragte ich scharf.
»Könnte ich wohl eine Tasse Kaffee haben?«, fragte er. Er sah mich an, als wäre ich etwas sonderbar. Wie oft er mich gefragt haben mochte, bevor ich es gehört hatte?
»Klar«, sagte ich. Ich legte Kate wieder in ihre Trageschale und ging in die Küche, um ihm Kaffee zu machen. Ich hätte es ihm von mir aus anbieten müssen, war aber bei all der Aufregung gar nicht auf den Gedanken gekommen.
Es war eine gewisse Erleichterung, in die Küche gehen zu können. Ich seufzte lange, tief und schwer, als ich die Tür hinter mir schloss.
Meine Hände zitterten so sehr, dass ich kaum den Wasserkessel füllen konnte. Mit James zusammen zu sein war dermaßen anstrengend. So tun zu müssen, als ob es mir gutgehe, war erschöpfend. Es kostete viel Kraft, ständig die Mordswut unter Kontrolle zu halten.
Aber das musste ich hinter mich bringen. Ich wollte so viel wie möglich für Kate dabei herausholen.
Ich brachte ihm den Kaffee ins Esszimmer. Kekse würde ich ihm nicht dazu anbieten. Tut mir leid, aber dafür war ich einfach nicht erwachsen genug.
Er beugte sich über Kate und versuchte mit ihr zu reden. Er führte eine Art gemurmelter verkniffener Unterhaltung mit ihr. So als wäre sie eine Kollegin in der Firma und nicht ein zwei Monate alter Säugling.
Er verhielt sich nicht so wie nette, normale, warmherzige Menschen in Gegenwart von Kleinkindern. Sie wissen schon, so als hätten sie ihr Gehirn über Nacht im Regen draußen gelassen. Lauter Singsang und dumme rhetorische Fragen, vom Schlage: »Wer ist das schönste Mädchen auf der ganzen Welt?« Die richtige Antwort darauf lautete natürlich nicht, wie man annehmen könnte, Cindy Crawford, sondern Kate Webster.
Stat dessen klang es, als spreche er mit ihr über die Steuerreform. Für ihn schien das offenbar ganz in Ordnung zu sein.
Im selben Augenblick, als ich den Kaffee auf den Mahagoni-Esszimmertisch stellte, fiel mir auf, dass ich ihn unwillkürlich so gemacht hatte, wie er ihn gern hatte. Gott, war ich wütend! Hätte ich denn nicht wenigstens so tun können, als hätte ich es vergessen?
Hätte ich nicht Milch und zwei Löffel Zucker hineintun können, statt ihm schwarzen Kaffee ohne Zucker zu machen und das Ganze zur Hälfte mit kaltem Wasser aufzufüllen?
Und wenn er ihm dann im Halse stecken blieb und er sich um seinen verbrühten und übermäßig gesüßten Rachen kümmerte, hätte ich da nicht munter etwas sagen können wie: »Ach entschuldige, ich hab ganz vergessen, du bist ja derjenige, der keinen Zucker mag.«Aber nein. Ich hatte mir eine erstklassige Gelegenheit entgehen lassen, ihm zu zeigen, dass er mir überhaupt nichts mehr bedeutete.
»Oh, danke, Claire«, sagte er zufrieden lächelnd, während er den ersten Schluck nahm. »Du weißt ja noch, wie ich ihn gern trinke.«
Ich war so wütend, ich hätte ohne Weiteres in die Küche gehen, mich mit Benzin übergießen und anzünden können.
»Gern geschehen«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
Ein kurzes Schweigen trat ein. Dann begann James zu sprechen. Er schien mit einem Mal auf das Entspannungsprogramm umgeschaltet zu haben. Seine noch an der Haustür erkennbare offenkundige Nervosität hatte sich verflüchtigt.
Hätte es doch nur meine auch getan!
»Weißt du, ich kann gar nicht glauben, dass ich hier bin«, sagte er im Plauderton, bequem auf dem Stuhl zurückgelehnt, die Tasse mit dem verräterischen Kaffee in Händen.
Es klang, als bereite es ihm nicht die geringsten Schwierigkeiten, das zu glauben.
»Ich kann nicht glauben, dass du mich reingelassen hast.« Da bist du nicht der Einzige, hätte ich am liebsten gesagt, unterließ es aber.
»Inwiefern?«, fragte ich mit eisiger Höflichkeit.
»Oh«, sagte er und schüttelte den Kopf mit einem Lächeln, als könnte er nicht glauben, dass seine Fantasie so mit ihm durchgegangen war. »Ich dachte, vielleicht würden deine Mutter und Schwestern was Scheußliches mit mir anstellen. Mir siedendes Öl über den Kopf gießen oder etwas in der Art.«
Es saß da, sah mir unverwandt in die Augen und lächelte selbstzufrieden über die Leichtigkeit, mit der er in die Höhle des Löwen
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