Wassermelone: Roman (German Edition)
zu probieren.
»Sieh mal, James«, sagte ich und schluckte meine Tränen herunter. »Was du da sagst, kommt alles ziemlich plötzlich. Ich muss darüber nachdenken. Ich gehe jetzt. Wir können morgen weitersprechen.«
Damit sprang ich auf, ging zur Tür und ließ ihn am Tisch sitzen, wo er stumm wie ein aufgeregter Goldfisch den Mund auf- und zumachte.
»So ist es richtig, Schätzchen«, sagte einer der Kellner zu mir, als ich an ihm vorüberrauschte. »Er ist weiß Gott nicht dein Typ.«
Auf dem Heimweg fuhr ich schnell, missachtete mehrere rote Ampeln und brachte andere Autofahrer und Fußgänger in Lebensgefahr.
29
I n dem Augenblick, als ich den Schlüssel ins Schloss steckte, kamen als sichtbarer Beweis ihrer wunderbaren Fähigkeit, hellsehen zu können, Anna, Helen und Mum aus der Küche zu meiner Begrüßung in die Diele gestürzt. Natürlich konnten sie auch gehört haben, wie ich den Wagen abgestellt hatte.
»Wie ist es gelaufen?«, fragte meine Mutter.
Offensichtlich hatte momentan keine von ihnen so recht etwas zu tun, sonst hätte sie das Melodrama meines Lebens nicht so brennend interessiert.
»Was ist passiert?«, rief Helen.
»Großartige Neuigkeiten«, rief ich unter Tränen aus, während ich nach oben ging, um nach Kate zu sehen.
»Gut«. Meine Mutter strahlte.
»Ihr wisst ja, dass mich James im Stich gelassen und mit einer anderen zusammen war. Nicht mal Kates Namen hat er gewusst. Das ist jetzt alles geklärt. Es war nämlich meine Schuld. Ich hatte es darauf angelegt. Es konnte gar nicht ausbleiben, und er hat mir damit geradezu einen Gefallen getan!«
Ich stürmte in mein Zimmer und ließ am Fuß der Treppe drei erstaunte Gesichter mit vor Überraschung offenen Mündern zurück.
Kate begann zu weinen, kaum dass sie mich sah. Ich tat es ihr gleich – nur so zum Spaß. Die Schuld auf mich zu nehmen, wie sich James das vorstellte, war für mich nicht so einfach. Haben Sie sich wahrscheinlich schon gedacht. Meinen Zorn darüber ließ ich an Helen, Anna und Mum aus statt an James, obwohl er die richtige Adresse gewesen wäre. Das war den dreien gegenüber nicht fair. Eine leise Stimme erinnerte mich an meinen Versuch, James darauf hinzuweisen, dass er unrecht hatte, und an seine Antwort, das sei ein weiterer Beweis für meine kindische Haltung. Wahrscheinlich stimmte das. Er hatte gewöhnlich recht.
Er kann einem ganz schön auf den Geist gehen, dachte ich aufsässig.
Jetzt aber musste ich aufhören, nachtragend und aufsässig zu sein. Ich war keine neunundzwanzigjährige Heranwachsende mehr. Sollte ich eine vernünftige und auf das Wohl anderer bedachte Erwachsene werden wollen, konnte ich auch gleich damit anfangen. Ich konnte auf Kates Bedürfnisse eingehen.
»Was kann ich für dich tun, mein Schatz?«, fragte ich sie. Ich überlegte mir, ob das für James reif genug wäre. Damit musste Schluss sein. Er hatte recht, ich hatte unrecht.
Ich versuchte, das schreiende Kind in meinen Armen zu beruhigen.
»Vielleicht ’ne frische Windel? Oder kann ich dich für das Fläschchen begeistern? Außerdem haben wir eine herrliche Auswahl von Aufmerksamkeit und Zuneigung. Es ist alles da. Du musst es nur verlangen.«
Sogar das machte ich falsch. James zufolge war es nicht nötig, dass man mich um das bat, was man haben wollte. Wenn ich wirklich selbstlos wäre, musste ich das von selbst wissen.
Vorsichtshalber gab ich ihr alles. Ich wickelte sie neu, fütterte sie und sagte ihr, sie sei schöner als Claudia Schiffer.
Mum, Anna und Helen kamen vorsichtig ins Zimmer geschlichen und fragten sich, ob ich wohl verrückt geworden sei.
»Hallo«, sagte ich, als ich den ersten Kopf sah, der zögernd durch die Tür gesteckt wurde. »Nur herein. Die kleine Szene in der Diele tut mir leid. Ich war wütend. Ich hatte kein Recht, es an euch auszulassen.«
»Ist schon in Ordnung«, sagte Helen. Die drei kamen hereinmarschiert und nahmen auf dem Bett Platz, während ich mich um Kate kümmerte und ihnen von meiner Begegnung berichtete.
»Es ist komisch, aber zu wissen, wie schwierig ich war, macht mir sein Verschwinden ein bisschen leichter«, sagte ich zu ihnen. »Versteht ihr, zumindest ergibt es jetzt einen Sinn.«
»Du kannst ja wohl nicht so schlimm gewesen sein, wie er behauptet«, sagte Mum.
»Ich versteh das auch nicht«, gab ich zu. »Aber wie ich ihm das gesagt hab, meinte er, genauso hätte er sich meine Reaktion vorgestellt.«
Darauf konnte niemand etwas sagen. James hatte mich gekonnt
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