Wassermelone: Roman (German Edition)
– und sagte mit einem Lächeln: »Du kannst aufhören, Claire. Ich bin überzeugt.«
»Wovon?«, fragte ich ihn. Was zum Teufel war jetzt schon wieder los?
»Ich bin überzeugt, dass du dich geändert hast. Du brauchst die Rolle nicht weiterzuspielen.«
»Was für eine Rolle?«, fragte ich verständnislos.
»Du weißt schon«, sagte er und sah mir lächelnd in die Augen. »Du kannst den Vorwand fallenlassen, dass wir die Wohnung verkaufen und uns über den Unterhalt für Kate einigen. Du brauchst nicht weiterzureden.«
Ich schwieg. Was hätte ich auch sagen können?
»Es ist keine Rolle«, sagte ich mit piepsender Stimme.
»Claire«, sagte er und lächelte nachsichtig. »Hör auf! Ich muss zugeben, ich hab es dir zeitweise wirklich abgenommen. Fast hätte ich geglaubt, dass es dir ernst ist. Musstest du wirklich die Sache so weit treiben, dass du dir die Besitzurkunden hast schicken lassen? War das nicht ein bisschen übertrieben?«
»James«, protestierte ich schwach.
Er schien darin eine Art Kapitulation zu sehen. Er legte die Arme um mich und zog mich an sich. Mein Kopf lag steif auf seiner Schulter.
»Sieh mal, ich weiß, dass du sehr schwierig warst. Verdammt schwierig«, sagte er. Ich konnte das wehmütige Lächeln in seiner Stimme richtig hören. »Aber ich sehe, dass du dir große Mühe gibst, mich davon zu überzeugen, wie verantwortungsbewusst und erwachsen du geworden bist und dass du auf die Bedürfnisse anderer eingehen kannst.«
»Findest du?«, fragte ich.
»Ja«, sagte er freundlich. Er lehnte sich zurück und sah mir in die Augen. »Absolut.«
»Und deswegen können wir das hier erst mal beiseitelassen.« Mit diesen Worten schob er die Papiere auf dem Tisch zu einem unordentlichen Haufen zusammen.
»Warum?«, fragte ich.
»Weil wir die Wohnung nicht verkaufen.« Er lächelte.
Er sah ein wenig aufmerksamer auf mein bleiches und entsetztes Gesicht.
»Großer Gott.« Melodramatisch schlug er sich mit der Hand vor die Stirn. »Du hast es noch nicht gemerkt, was?«
»Nein«, sagte ich.
Er packte mich bei den Schultern und schob sein Gesicht dicht an meins. »Ich liebe dich«, sagte er mit leisem Lachen. »War dir das nicht klar, mein kleiner Dummkopf?«
»Nein«, sagte ich. Ich fürchtete, im nächsten Augenblick in Tränen auszubrechen.
Ist es nicht sonderbar, wie einem Erleichterung bisweilen ganz wie Angst vorkommen kann und Glück wie Enttäuschung?
»Was glaubst du, warum ich nach Dublin gekommen bin?« Er schüttelte mich sacht an den Schultern und lächelte erneut nachsichtig.
»Keine Ahnung«, räumte ich ein. »Vielleicht, um Ordnung zu machen.«
»Vermutlich hast du angenommen, ich würde dir dein Verhalten nie verzeihen?« In die Richtung hatte ich gar nicht gedacht.
»Aber ich habe dir verziehen«, sagte er großzügig. »Ich bin bereit, einen neuen Anfang zu machen. Ich bin sicher, dass die Dinge künftig ganz anders aussehen werden, weil du erwachsen geworden bist.«
Ich nickte stumm. Warum war ich nicht glücklich? Er liebte mich nach wie vor. Er hatte nie aufgehört, mich zu lieben.
Ich hatte ihn vertrieben. Aber ich hatte mich geändert, und die Sache konnte wieder ins Lot gebracht werden. Hatte ich nicht genau das gewollt? Nun?
Er sah auf mein stummes, entsetztes Gesicht und stupste mir mit einem Finger ans Kinn.
»Du nimmst mir doch die Sache mit Denise nicht mehr übel?«, fragte er, als wäre das ein ganz und gar absurder Gedanke.
»Eigentlich schon«, sagte ich leise. Dabei hatte ich das Gefühl, als hätte ich jetzt, wo er so freundlich zu mir war, kein Recht, mich über etwas zu beklagen.
»Aber es war nichts«, er lachte. »Es war nur eine Reaktion auf das, was du in mir ausgelöst hast. Ich bin sicher, dass du den Fehler nicht noch mal machen wirst.« Er lächelte, als wäre das spaßig. Das aber war es ganz und gar nicht.
»Äh, James«, sagte ich. Es kam mir vor, als würde mein Kopf jeden Augenblick explodieren. Ich musste eine Weile allein sein.
»James«, sagte ich leise. »Das ist eine Wahnsinns …«
»… überraschung«, ergänzte er. »Ich weiß, ich weiß.«
»Ich muss in Ruhe ein wenig über all das nachdenken.«
»Was gibt’s da nachzudenken?«, fragte er leichthin.
»Du hast mir sehr wehgetan«, sagte ich. »Du hast mir wehgetan und mich erniedrigt. Ich kann das Gefühl nicht einfach abschütteln, um dir jetzt eine Freude zu machen.«
»Ach je«, seufzte er. »Kramst du jetzt wieder die ›arme Claire‹ raus? Ich dachte, du
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