Wassermelone: Roman (German Edition)
zweifelnd.
»Und was ist mit dieser Denise?«, fragte sie und sah mich aufmerksam an.
»Wie es scheint, hat er sie nie geliebt«, sagte ich leise. »Er hat sich ihr nur in die Arme geworfen, weil er das Gefühl hatte, von mir keine Aufmerksamkeit, Fürsorge und Liebe zu bekommen.«
»Und die Sache mit ihr ist vorbei?«, fragte meine Mutter.
»Ja«, sagte ich.
»Glaubst du ihm?«, fragte sie.
»Komischerweise, ja«, sagte ich.
»Dann ist es ja gut«, sagte meine Mutter.
»Meinst du?«, fragte ich.
Sie schwieg einige Augenblicke. Sie schien über etwas nachzudenken. Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme sonderbar feierlich.
»Mach nicht den Fehler, dass du vor lauter Stolz nicht verzeihen kannst«, sagte sie. »Du liebst ihn noch. Er liebt dich noch. Wirf nicht alles weg, nur weil du gekränkt bist.«
Ich schwieg weiter, sie sprach weiter. Dabei schimmerte in ihren Augen ein ferner, träumerischer Glanz.
»In vielen Ehen kriselt es mal«, sagte sie. »Die Menschen kommen darüber weg. Sie lernen zu verzeihen. Nach einer Weile lernen sie sogar zu vergessen. Wenn man sich Mühe gibt und zusammenbleibt, ist die Ehe gewöhnlich stabiler als zuvor.«
Oh nein!, dachte ich. Das kenne ich. Das ist der Film, in dem die Mutter der Tochter gesteht, dass sie vor Jahren ein Verhältnis hatte, beispielsweise mit dem besten Freund ihres Mannes. Oder, wahrscheinlicher, dass der Vater ein Verhältnis hatte. (»Was«, fragt die Tochter, »willst du damit sagen, Dad hatte ein Verhältnis?«) Die Mutter war entschlossen, ihn zu verlassen und die Kinder mitzunehmen. (»Du warst damals noch ganz klein.«) Aber sie blieb. Sie vergab ihm. Der Vater war vor Reue völlig zerknirscht. Jetzt war ihre Ehe stabiler als zuvor .
Sollte Mum die Absicht gehabt haben, irgendetwas in der Art zu erzählen, schien sie sich das jetzt anders zu überlegen. Der träumerische Blick verschwand aus ihren Augen.
Sie kehrte in die Gegenwart zurück.
»Es kostet natürlich Zeit, bis alle Kränkungen vergessen sind«, sagte sie. »Du kannst nicht erwarten, dass das von heute auf morgen passiert. Aber im Laufe der Zeit heilt auch diese Wunde.«
»Ich weiß nicht recht, Mum«, murmelte ich. »Es kommt mir alles so falsch vor.«
»Wieso?«, fragte sie.
»Ich weiß nicht …«, seufzte ich. »Ich hab kein Gefühl des … des … Triumphes, des Sieges. Außerdem bin ich immer noch sauer auf ihn.«
»Dazu hast du auch allen Grund«, sagte sie. »Sprich mit ihm darüber. Vielleicht könnt ihr miteinander zur Eheberatung gehen. Aber lass nicht zu, dass dich dein Zorn blind für alles andere macht. Schließlich sprechen wir vom Vater deines Kindes. Wenn du deinen Zorn nicht runterschlucken kannst, denk an Kate. Tu es für sie. Willst du deinem Kind den Vater nehmen, nur weil du sauer auf ihn bist?« Mit diesen Worten beendete sie ihren leidenschaftlichen Appell.
Bevor ich antworten konnte, legte sie schon wieder los. – Mit einem neuen leidenschaftlichen Appell: »Dein Wunsch, zu triumphieren oder dich als Siegerin zu fühlen, ist ein leeres und hohles Gefühl. In einer solchen Situation gewinnen zu wollen ist wirklich kindisch. Da gibt es keinen Gewinner und keinen Verlierer. Wenn du dich entschließen kannst, deine Ehe weiterzuführen, hast du gewonnen und bist Siegerin!«
Sie hätte Reden für Revolutionäre schreiben können. Das ging richtig unter die Haut!
»Na schön«, sagte ich ein wenig zweifelnd. »Wenn du sicher bist.«
»Ganz und gar«, sagte sie zuversichtlich. »Deine Ehe ist eine Zeitlang gut gelaufen. Schön, ihr hattet Probleme, und die wurden nicht richtig gelöst. Aber wahrscheinlich habt ihr beide daraus gelernt.«
»Vermutlich«, sagte ich.
»Und dass er dich wiederhaben will, zeigt, dass du so schlimm nicht gewesen sein kannst, wie er dich hinstellt«, sagte sie mit breitem Lächeln. Aber das fand ich nicht lustig. Es fiel mir nach wie vor schwer zu glauben, dass ich so schwierig gewesen sein sollte.
Wer war es noch, der gesagt hatte: »Vorsicht mit Wünschen – sie könnten in Erfüllung gehen?« Und irgendein Heiliger hatte gesagt: »Es werden mehr Tränen wegen erhörter Gebete vergossen als wegen solcher, die nicht erhört worden sind.«
Ich begriff, was die Leute damit meinten. James hatte mich tief verletzt. Ich hatte ihn so sehr geliebt. Ich hatte ihn, meine Ehe und mein früheres Leben zurückgewollt. Jetzt, da ich all das haben konnte, wusste ich nicht mehr, worum das ganze Hickhack gegangen war.
Ich konnte
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