Wassermelone: Roman (German Edition)
von etwa fünfzehn Kilometern kostete, holte er Helen fast jeden Abend an der Universität ab, sodass sie gemeinsam zu Hause eintrafen.
Helen stürmte durch die Küchentür. Sie sah einfach wunderschön aus, noch schöner als sonst, wenn das überhaupt möglich war. Ein Strahlen umgab sie. Zwar trug sie nur Jeans und Pullover, sah aber entzückend aus. Ihr langes seidiges Haar, ihre leuchtende Haut, ihre glänzenden Augen, ihr vollkommener kleiner Mund, auf dem ein bezauberndes Lächeln lag.
»Hallo, wir sind da«, kündigte sie an. »He, was riecht denn hier so grauenhaft? Pfui Teufel! Hat jemand kotzen müssen?«
Aus der Diele drangen Männerstimmen zu uns herüber. Mein Vater und noch jemand. Wir hatten wohl Besuch.
Unwillkürlich hüpfte mein Herz ein wenig. Ich hatte die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben, dass James unverhofft kommen könnte. Doch gehörte die Männerstimme wohl eher einem von Helens Freunden. Allerdings entspräche es eher der Wahrheit, wenn man diese Männer Helens Sklaven nannte.
Obwohl ich wusste, wie albern es von mir war zu glauben, James könne aus heiterem Himmel erscheinen, spürte ich die Enttäuschung, als Helen sagte: »Ach ja, ich hab ’nen Freund mitgebracht. Dad zeigt ihm, wo er seinen Mantel aufhängen kann.«
Dann sah sie mich an. »He!«, rief sie. »Wieso trägst du meine Sachen? Zieh das sofort wieder aus.«
»Entschuldige, Helen«, stotterte ich. »Aber ich hatte sonst nichts. Ich kauf mir neue, die kannst du dir dann alle leihen.«
»Darauf kannst du Gift nehmen«, versprach sie finster. Dabei ließ sie es für den Augenblick bewenden. Gott sei Dank! Das konnte nur bedeuten, dass sie gut gelaunt war.
»Wen hast du da mitgebracht?«, fragte meine Mutter.
»Er heißt Adam«, sagte Helen. »Du musst nett zu ihm sein, er soll nämlich mein Referat schreiben.«
Auf das Gesicht meiner Mutter wie auf meins trat der Ausdruck von Willkommen und Mitgefühl. Wieder hatte sich ein armer Jüngling in Helens Fallstricken verfangen. Er hatte nach menschlichem Ermessen sein Leben verwirkt. Seine Zukunft war vorüber, zugrunde gerichtet. Vor ihm lag ein Leben in Elend und Verzweiflung, das er damit zubringen würde, sich nach der schönen Helen zu verzehren.
Mum und ich tauschten einen Blick miteinander. Wie ein Lamm zur Schlachtbank, dachten wir beide.
Ich machte mich wieder daran, den Käse und meine Knöchel zu reiben.
»Das ist meine Mum«, hörte ich Helens Stimme. Offensichtlich stellte sie ihr den zum Untergang verurteilten Adam vor.
(Mich drängte es, ihm zuzurufen: »Flieh! Flieh, wenn dir dein Leben lieb ist! Rette dich, Adam, solange du noch kannst.«)
»Und das da hinten ist Claire«, fuhr Helen fort. »Ich hab dir ja von ihr erzählt. Sie hat das Kind.«
Danke, Helen, alte Ziege, dachte ich. Danke, dass du mein Leben so hinstellst, als wäre es eine Art Wohnküchendrama im Dickicht der Städte.
Ich wandte mich um und war bereit, Adam ein freundliches Lächeln zu schenken, und streckte ihm meine nach Parmesan riechende Hand mit den aufgeriebenen Knöcheln hin.
Und war ziemlich erstaunt. Das war nicht einer von den üblichen unreifen Knaben, die Helen sonst anschleppte, sondern ein richtiger Mann. Zwar jung, das gebe ich zu, aber unbezweifelbar ein Mann.
Über eins achtzig und äußerst erotisch. Lange Beine. Muskulöse Arme. Blaue Augen. Markantes Kinn. Breites Lächeln.
Hätte in unserer Küche ein Testosteron-Messgerät gehangen, wäre die Quecksilbersäule bestimmt durch die Decke gegangen.
Ich kam gerade recht, um zu sehen, wie er Mum den festesten Händedruck ihres Lebens gab.
Dann wandte er sich um. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie meine Mutter ihre gequetschte Hand ausschüttelte und unauffällig auf ihren Ehering schielte, ob ihn der feste Griff verbogen hatte.
»Äh, hallo«, sagte ich verwirrt und aufgeregt. Es war lange her, dass ich solch einer geballten Konzentration von Männlichkeit begegnet war.
»Angenehm«, lächelte er, während er meine verstümmelte Hand in seiner Pranke hielt.
Mein Gott, dachte ich ziemlich überwältigt, dass man alt wird, merkt man daran, wie jung all die großartig aussehenden Männer mit einem Mal sind.
Zwar konnte ich Helens Stimme hören, sie schien aber aus weiter Ferne zu kommen. Übertönt wurde sie vom Dröhnen des Blutes in meinem Körper, das sich in mein Gesicht drängte, dass ich so rot wurde wie seit fünfzehn nicht mehr.
»Ernsthaft«, sagte sie. »Hier riecht es richtig nach Kotze.«
»So
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