Wassermelone: Roman (German Edition)
Blick durch die Lesebrille mustern und Sachen sagen wie: »In einer Zeit niedriger Inflation ist eine Festzins-Hypothek am ehesten zu empfehlen« oder: »Ich an Ihrer Stelle würde die kurzfristigen Anlagen abstoßen und in Pfandbriefe investieren« oder etwas in der Richtung.
Solche Männer gelten als stinklangweilig, dafür aber als absolut zuverlässig. Bei James war ich vermutlich selbst ein bisschen auf dieses Klischee hereingefallen. Es war, als würde er zu allem, was ich tat, ja und amen sagen. Ich amüsierte ihn. Nein, das ist nicht das richtige Wort. Das klingt herablassend und verächtlich. Aber bestimmt fand er mich unterhaltsam. Er fand mich großartig.
Ich meinerseits fühlte mich bei ihm ausgesprochen geborgen und sicher. Das bloße Wissen, dass ich mich zum Narren machen konnte und er mich trotzdem lieben würde, sorgte dafür, dass ich mich nicht zum Narren machte. Ich betrank mich nicht mehr so oft wie früher.
Doch selbst wenn ich das tat und am nächsten Morgen mit fürchterlichen Kopfschmerzen aufwachte und beim bloßen Gedanken an das wenige zusammenzuckte, was ich noch vom Vorabend wusste, war er ganz rührend zu mir.
Während ich wie eine Leiche im Bett lag, lachte er freundlich, holte mir Wasser, beugte sich über mich und küsste mich auf die Stirn, in der es hämmerte. Dabei sagte er beruhigende Dinge wie: »Nein, mein Schatz, du warst überhaupt nicht unausstehlich. Du warst wirklich lustig« und »Ach was, Liebling, du warst nicht hochnäsig. Wir haben uns alle schiefgelacht« und »Deine Handtasche wird sich schon wieder finden. Wahrscheinlich hast du sie nicht gefunden, weil sie in Lisas Wohnung unter ein paar Mänteln gelegen hat. Ich ruf gleich mal da an« und »Natürlich kannst du den Leuten in die Augen sehen. Schließlich hatten alle einen sitzen. Du warst überhaupt nicht am betrunkensten.«
Und bei einer ganz besonders schrecklichen Gelegenheit, meinem, soweit ich mich erinnere, schlimmsten »Tag danach« – an jenem Morgen lag die Luft voller Versprechungen, nie wieder zu trinken, das kann ich Ihnen sagen –, sagte er: »Beeil dich, Liebling, deine Verhandlung ist um halb zehn. Du darfst auf keinen Fall zu spät kommen, denn dein Anwalt hat gesagt, dass der Richter ein ziemlich harter Knochen ist.«
Kleinen Augenblick, das muss ich erklären. Hören Sie mich bitte zu Ende an. Ja, man hatte mich eines Abends festgenommen, aber nicht etwa, weil ich gegen die Gesetze verstoßen hätte. Ich war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Zufällig war ich in einen Klub geraten, der keine Schanklizenz für alkoholische Getränke besaß. Ich hatte nicht die blasseste Ahnung, dass sich die Leute, die den Klub betrieben, gesetzwidrig verhielten – wenn man von den Jacketts ihrer Rausschmeißer absieht und dem Wucherpreis, den sie für ihren Wein verlangten. Allein wegen der Jacketts hätten sie zehn Jahre Einzelhaft verdient.
Ich weiß nicht mal, wie ich dahin geraten war. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass wir tranken und eine Bombenstimmung herrschte.
Als die Polizisten hereinkamen und alle Gäste ihre Gläser unter dem Tisch zu verstecken versuchten, fanden Judy, Laura und ich das sehr lustig. »Wie zur Zeit der Prohibition«, lachten wir.
Ich beschloss, einem der Polizisten meinen Lieblingswitz zu erzählen. Er geht so: Wie viele Polizisten braucht man, um eine Glühbirne kaputt zu machen? Natürlich heißt die Antwort: keinen. Sie ist von selbst die Treppe runtergefallen.
Einer von ihnen fand das überhaupt nicht witzig und erklärte mir, er müsse mich festnehmen, wenn ich mich nicht mäßigte.
»Tun Sie das«, sagte ich mit breitem Lächeln und hielt ihm beide Handgelenke hin, damit er mir Handschellen anlegen konnte. Offensichtlich hatte ich nicht begriffen, dass es echte Polizisten und nicht irgendwelche verkleideten Witzbolde waren. Als er mir den Gefallen tat, fiel ich aus allen Wolken.
Natürlich war mir klar, dass der Mann lediglich seine Pflicht tat. Ich nahm es ihm nicht übel und habe es ihm auch nicht nachgetragen. Schweinehund, elender.
Ich war zutiefst erschüttert. Ich versuchte ihm zu erklären, dass ich eine junge Frau aus der Mittelschicht sei, in einem Londoner Vorort lebte und sogar einen Steuerberater dazu bekommen hätte, mich zu heiraten. All das erklärte ich ihm, um ihm klarzumachen, dass ich auf seiner Seite stand, auf der des Rechts, und wie er gegen das Unrecht kämpfte und so weiter.
Außerdem versuchte ich ihm klarzumachen, dass er
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