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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Lecks bedenklich. Dermaßen bedenklich, daß die vergleichsweise kräftigsten der Sklaven aus den Eisen geschlossen wurden, um die Pumpen zu bedienen. Vierzehn-Stunden-Schichten, und die Peitsche knallte über ihren Köpfen. Sie pumpten, bis sie vor Erschöpfung in Ohnmacht fielen, wurden ins Bewußtsein zurückgeprügelt und pumpten weiter. Dennoch zog das Schiff immer noch zuviel Wasser, und bald war klar, daß man es nie und nimmer bis nach South Carolina schaffen würde. Einigen jedenfalls war es klar.
    «Käpt’n – Sie müssen Kurs auf Westindien nehmen, oder wir können neben den Haifischen da draußen Wasser treten, ehe wir’s uns versehen.»
    «Sie sind doch ein gebildeter Mann, Mr.   Frip. Gehen Sie mal zum Bugspriet rüber und lesen Sie mir vor, was da geschrieben steht. Ich glaube, Sie werden feststellen, daß da
Charlestown
steht, was meinen Sie? Tja, und genau da wird dieses Schiff hinfahren, dafür werd ich bezahlt.»
    «Vielmals um Verzeihung, Käpt’n, Sir, aber ich und die Crew, wir haben uns ein bißchen was überlegt, Sir, und wir haben einstimmig beschlossen, daß wir unsere Matrosenmesser ziehen und Ihnen ein paar Luftlöcher in die Leuteschinder-Haut machen, bis Sie aussehn wie einer von den Springbrunnen zu Hause in Richmond, Sir, wenn Sie nicht Kurs auf Antigua nehmen, und zwar innerhalb von dreißig Sekunden nach meiner Taschenuhr hier, mit Verlaub, Sir.»
     
    Von Antigua konnte der Entdeckungsreisende das Chesterfield-Paketboot nehmen, das auf der Rückfahrt von den Kleinen Antillen Saint Johns angelaufen hatte, um die Post mitzunehmen. Das Schiff legte am 24.   November 1797 ab, und am Morgen des 22.   Dezember kam Falmouth an der Küste von Cornwall in Sicht. Strandvögel flatterten durch die Luft, der Wind trieb die Gischt übers Deck. Die Relingwar mit Eis überzogen, und feiner, feuchter Schnee ließ einen die Böen noch heftiger spüren. Die Besatzung war nirgends zu sehen, der Kapitän lag im Bett, der Terrier des Kochs hatte sich unterm Ofen verkrochen. Mungo Park aber stand nach zwei Jahren und sieben Monaten Exil grinsend neben dem Steuermann und sah zu, wie die ferne Felseninsel allmählich über den Wogen näher kam.

KALTE FÜSSE
    Ein Jahr ist gar nichts: eine Feder im Wind, ein Atemzug. Einmal umgedreht, schon ist es vorbei. Eis, Knospe, Blatt und Zweig. Gänse im Teich, Stoppeln auf dem Feld. Dreihundertfünfundsechzig Sonnenaufgänge, dreihundertfünfundsechzig Nächte. Kleinere Schürfwunden, ein verrenkter Knöchel, eine Triefnase, der Tod eines fernen Verwandten. Auf dem Dachboden rumort ein Eichhörnchen, im Sturm stürzt ein Baum um. Die Zeiger der Standuhr im Flur beschreiben siebenhundertdreißig Kreise. Fenster klappen auf, Vorhänge fallen zu, Teller, Tassen und Löffel werden benutzt und geschrubbt, benutzt und geschrubbt. Donner kracht auf die Hügel nieder wie ein Schmiedehammer, Schnee klettert die Zaunpfähle empor, Sonnenlicht reibt die Fensterscheiben blank wie Kupfer. Ein Jahr. Eines von wie vielen: fünfzig? sechzig? Heimtückisch nagen die Tage daran.
     
    Ailie kauert in einer Ecke ihres Betts, den Kopf in den Händen vergraben. Der Morgen graut vor dem Fenster, und der kalte Regen, der am Abend begonnen hat, peitscht dagegen. Neben ihr liegt Katlin Gibbie und atmet regelmäßig, ihr neun Monate alter Junge kuschelt sich an ihre Brust. Betty Deatcher, eine Cousine aus Kelso, schnarcht in der Ecke auf einem Strohsack. Die Kohlen im Ofen sind zu Asche verglüht.
    Weihnachtsmorgen ist es, doch Ailie hüpft das Herznicht vor Freude, sie empfindet kein Wohlwollen für die Menschheit. Das Jahr ist um, und heute löst sie ihr Versprechen ein: Wenn die Nacht kommt, wird sie Ailie Gleg sein. Bei dem Gedanken verkrampft sich etwas in ihr. Nie hätte sie geglaubt, ihrem Gelübde nachkommen zu müssen, nie daran gezweifelt, daß Mungo – wie der galoppierende Kavalier in einer mittelalterlichen Romanze – rechtzeitig auftauchen würde, um sie vor dem Drachen zu retten. Ein Jahr war ihr so lang erschienen – zu Neujahr oder Ostern konnte er ja schon zurück sein. Wie hätte sie es ahnen sollen? Sie hatte einfach auf ihn gewartet. Mit einem immer flaueren Gefühl im Magen – vorbei gingen Frühlingsaat, Pfingsten, Mittsommernacht, Michaeli, Martini, Erntedankfest, selbst Heiligabend hatte sie noch gewartet, bis sie endlich nachgab und zuließ, daß die Brautjungfern ihr die Füße mit Henna färbten und die traditionelle Kuhhaut über sie und Georgie

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