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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Moskitos sirrten. Es war heiß wie in einer Eisenschmelze. Der verwirrte Entdeckungsreisende blieb wie angewurzelt auf dem Deck stehen und beobachtete zwei Gestalten, die wie im Kasperletheater hinter einem Nebelvorhang gestikulierten.
    «Wir müssen warten, bis die Suppe hier verfliegt, Käpt’n», sagte der kleinere der beiden.
    «Lichten Sie den Anker, Mr.   Frip. Wir segeln sofort ab.»
    «Aber» . (man hörte das Klatschen einer Hand, die eine Mücke erschlug, und einen gutturalen, tiefempfundenen Fluch).
    «Kein Wenn und Aber jetzt, mein Bester. Wenn wir nur zehn Minuten länger in diesem fauligen Drecksloch bleiben,liegt mir die halbe Crew mit Schüttelfrost und schwarzer Kotze auf der Matte. Ziehen Sie den Anker hoch, sag ich!»
    Der Kleinere zog sich hinter die Nebelschleier zurück, und man hörte nur noch, wie er nach Fliegen schlug und murmelte: «Erst mal muß ich das Scheißding in der Brühe überhaupt finden   … Autsch! Verfluchte Moskitoviecher   …»
    Sie brauchten zwei Wochen für die Fahrt flußabwärts nach Fort Goree, denn immer wieder wurden sie von dichtem Nebel, treibenden Bäumen und widrigen Winden aufgehalten. Vier Matrosen, der Schiffsarzt und drei Sklaven starben unterwegs am Fieber. In Goree teilte der Kapitän Mungo mit, die Abreise würde sich auf unbestimmte Zeit verzögern, da es ihm unmöglich sei, Proviant für die Überfahrt aufzutreiben. «Verzögern?» sagte Mungo mutlos. Nun hatte er sich zwei Monate lang – im Fieberwahn in Kamalia, beim Gewaltmarsch durch die Jallonka-Wildnis – mit Visionen über Wasser gehalten, Visionen von wißbegierigen, aufmerksamen Gesichtern rund um den Konferenztisch am Soho Square, von Ailie in Unterwäsche, von seinem Buch und der baldigen Berühmtheit. Krankheit, Demütigung, Erschöpfung und Verzweiflung hatte er überlebt, und jetzt brannte er darauf, den gerechten Lohn dafür zu ernten. «Wie lange denn?» fragte er.
    Der Kapitän streifte sich hundslederne Handschuhe über und bot dem Entdeckungsreisenden eine Raleigh-Zigarre an. «Mitte September müßte ein Entsatzschiff in Goree ankommen», sagte er. «Dann können wir uns versorgen und gleich in See stechen.»
    Mitte September! Es war nicht zu fassen. Noch drei weitere Monate in diesem Pestloch, drei Monate lang in einer verrotteten Koje auf und ab schaukeln, in Sichtweite einer Garnison der Letzten Hoffnung, die sich aus dem Abschaum Londons rekrutierte. Ebensogut hätte er bei Dr.Laidley in Pisania bleiben können. Dort hätte er zumindest das eine oder andere Gläschen Wein, intelligente Unterhaltungen und ein eigenes Zimmer gehabt. Hier dagegen gab es nur Zuchthäusler als Gesprächspartner, einen Laderaum voll moribunder schwarzer Gesichter, Schaben so lang wie ein Zeigefinger und die ständige schleichende Verwesung, die Goree zu einem der größten Seuchenherde der Welt machte. So nah und doch so fern. Er ergab sich der Depression, lag in seiner Koje und sah zu, wie das Schiff rund um ihn vor sich hin faulte.
    Endlich setzte die
Charlestown
am 1.   Oktober die Segel, wobei Mungo gezwungenermaßen die Rolle des verstorbenen Schiffsarztes übernahm. Im Innern des Kontinents hatte er seine medizinischen Kenntnisse selten benötigt, jetzt jedoch rief er sich alles ins Gedächtnis, was er bei Dr.   Anderson gelernt hatte, um die entsetzlichen Bedingungen an Bord zu lindern. Die amerikanischen Sklavenschiffe hatten kleinere Besatzungen als die britischen und waren daher weitaus weniger human. Aus Angst vor Meutereien hielt man die Sklaven während der ganzen Fahrt in Eisen. Sie lagen in Dunkelheit, Nässe und Kälte, wälzten sich im eigenen Kot, leichte Beute für Schwindsucht, Typhus, Hepatitis und heftige Malaria-Fieberanfälle. Die Eisenketten scheuerten sich ins Fleisch der Hand- und Fußknöchel; in die Wunden schlüpften Maden. Mungo gab sein Bestes. Er ließ zur Ader, setzte Blutegel an, schüttete den Leuten mit Gewalt Essig in die Kehle. Acht starben noch vor Goree, elf weitere auf See. Die steifen Kadaver wurden aus den Eisen gezerrt und in die Gischt hinausgeworfen, wo flinke Hundshaie sich um die Überreste zankten.
    Der Besatzung erging es kaum besser. Drei waren schon vor Goree tot, zwei weitere folgten ihnen während der Fahrt. Doch wie sich herausstellte, war dies die geringste Sorge des Kapitäns. Ein weitaus dringlicheres Problem waren die Lecks, die im Schiffsrumpf entstanden waren, währendman bei Goree vor Anker lag. Jetzt, auf hoher See, wurden diese

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