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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Arbeit war das», ruft Crump, «–   jetz kannste wieder rauskommen.»
    In diesem Moment bekommt Ned erstmals Crumps Komplizen zu Gesicht, und mit einem Schlag wird ihm klar, daß er in die blaßgrünen, ungläubigen Augen von Billy Boyles starrt. «Billy?» bringt er hervor. Doch Boyles weicht schon vor ihm zurück, sein Gesicht zuckt krampfartig, die Augen sind vor Schrecken und Unverständnis eingefallen. Dann öffnet sich sein Mund, ein Loch so schwarz wie die Nacht. «Weg hier!» kreischt er, während er abwechselnd nach dem Sarg tastet und sich bekreuzigt. Ned streckt ihm die Hand entgegen, um ihn zu beruhigen, und Boyles schreit erneut auf, aus der quiekenden Stimme spricht nacktes Entsetzen, es ist eine Stimme von Neugeborenenam Spieß und lebendig abgehäuteten Tieren. Entgeistert und verwirrt läßt Crump die Lampe fallen, das Licht ergießt sich in einer Woge von heißem Öl über den Erdboden, und dann eilt die unerbittliche Nacht rasch herbei, um es zu verschlucken. Man hört jemanden hastig klettern, Hände und Füße krallen sich in die Erde, Crump stößt einen Fluch aus, und dann kommt wieder Boyles’ traumatisches Kreischen: «Weg hier, um Himmels willen, bloß weg hier – das is’n Gespenst!»
    Der Pistolenknall klingt beinahe enttäuscht.

WÖRTER
    Sir Joseph Banks, 55, ist ein Schwergewicht an Macht und Einfluß. Als Präsident der Akademie der Wissenschaften seit zwanzig Jahren, Ehrenvorsitzender der Königlichen Botanischen Gärten, Komturkreuzträger des Bath-Ordens und Mitglied des Kronrats ist er der Doyen der britischen Wissenschaftler, ein verdienter Botaniker, dessen Sammlung zu den besten Europas zählt, ein Gründungsmitglied der Afrika-Gesellschaft, früher auch selbst Entdecker und Namensgeber einer Reihe von Seezeichen im Südpazifik – der Mann, den die Regierung in fast jeder wissenschaftlichen Frage konsultiert, ob es nun um die günstigste Methode zum Überseetransport von Brotfrucht-Setzlingen auf der
H.M.S.   Bounty
oder die Entsendung von Entdeckungsreisenden in die Tropen geht.
    Obwohl er aus wohlhabendem und privilegiertem Hause stammt, trat er doch in seiner Funktion als Forscher erstmals ins Licht der Öffentlichkeit. Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre umsegelte er mit Kapitän Cook den Erdkreis und war danach so erfolgreich im Herausstreichen seiner eigenen Rolle bei dieser Expedition, daß er bald darauf zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften ernannt wurde. Er ist selbstgerecht und korrekt, autokratisch, von unersättlicher Neugier, ein trickreicherTaktiker, Sammler und Sämann, Partylöwe, Schrittmacher, Publicity-Jäger – vor allem aber ein Entdeckungsreisender, der zu alt für Entdeckungsreisen geworden ist. Und so macht er nun, wie ein ehemaliger Sportler, der Trainer wird, den Mentor für seine geographischen Missionare. Er ist ein Mann mit Geschmack, Kultur und guten Beziehungen, ein Mann von Hingabe und Ausdauer, ein Mann, der das ganze Land aufhorchen lassen kann, wenn er will. In diesem Augenblick allerdings kann er sich nur mühsam beherrschen, nicht loszubrüllen.
    «Was höre ich da von Edwards?» fragt er gerade, jedes Wort scharf wie ein Schwert. Er sitzt am Kopf des großen Konferenztisches in seinem Arbeitszimmer, die Schultern eingezogen, das Kinn herausgestreckt, und hat auffallende Ähnlichkeit mit einer Bulldogge, die an einer unsichtbaren Leine zerrt.
    «Sir?» Mungo ist rot bis über beide Ohren. Er sieht kurz auf und läßt dann den Blick wieder auf das Glas Bordeaux in seiner Hand sinken.
    «Spielen Sie mir hier kein Theater vor, junger Mann   – Sie wissen ganz genau, wovon ich spreche.»
    «Falls Sie die Baronesse meinen   –»
    «Die Baronesse», äfft ihn Sir Joseph nach, wobei er jede Silbe ausspuckt, als wäre sie mit Kot beschmiert. «Diese Frau ist eine Schande. Ein unmoralischer Vampir ist sie.»
    Mungo blickt auf, als hätte er eine Ohrfeige bekommen. «Sie sind nicht fair, Sir – sie hat auch ihre guten Eigenschaften.»
    «Ein Paar Titten, Mungo, nur ein Paar Titten. Das ist aber auch alles.» Er hebt die Hand, um jedes weitere Argument abzuwehren. «Ich diskutiere darüber gar nicht erst. Ich will, daß Sie sich von ihr fernhalten. Punktum. Sie sind doch nicht mehr irgendein Hinterwäldler aus Südschottland, mein Sohn   – Sie sind eine Berühmtheit, Sie haben eine gesellschaftliche Stellung zu behaupten. Und ich willverflucht sein, wenn ich zulasse, daß einer meiner geographischen Missionare

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