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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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der Tür. Er packt den Diener mit Nachdruck am Arm und verkündet mit lauter, gebieterischer Stimme, Mr.   Park sei nicht zu Hause.
    «Nicht zu Hause? Also das – das geht jetzt zu weit, Bryan! Die Dame ist eine Freundin und – und eine Aristokratin.» Mungo steht nun neben seinem Mitarbeiter, er keucht ein wenig, und sein Gesicht rötet sich. Der Diener senkt den Blick. «Ist dir klar, worum du mich da bittest?»
    Edwards sieht ihm in die Augen, der Mann der Afrika-Gesellschaft bis ins Mark. «Ich bitte ja gar nicht.» Dann wendet er sich wieder an den Diener. «Richte der Dame aus, daß Mr.   Park nicht im Hause ist.»
    Die Tür schließt sich mit leisem Klicken, der Entdeckungsreisende bleibt eine Zeitlang mit schlaff herabhängenden Armen davor stehen und studiert die matte Maserung des Holzes. Dann schaut er Edwards an, der einen Schritt näher zur Tür getreten ist, wie um sie zu blockieren, und schließlich stapft er quer durchs Zimmer, nimmt krachend am Schreibtisch Platz und beginnt mit der manischen,blindwütigen Verzweiflung eines Verdammten, das Blatt vor sich vollzuschreiben.
     
    Und so geht es weiter, Woche für Woche, Monat für Monat: Einladungen werden ausgeschlagen, Vorträge abgelehnt, Freunde und Bekannte vor den Kopf gestoßen. Mungo ist ein Gefangener von Feder und Tinte, mit fleckigen Fingern wie ein Aussätziger, das Gesicht ist bleich, und sein Rückgrat krümmt sich, so daß es bald einem seltsamen Satzzeichen ähnelt. Tagtäglich starrt er auf das weiße Papier, seine Augen tränen, Fortschritte gehen im Schneckentempo, und er denkt, er hätte Selkirk nie verlassen, seinen Platz im Leben nie in Frage stellen, Afrika nie betreten sollen. Der Mann der Tat ist zum Mann von Erinnerungen reduziert worden, wie ein geschwätziger, vergreister Veteran längst vergangener Kriege. Widerlich ist das. Ganz und gar nicht so, wie er es sich vorgestellt hat. Ein Buch. Das ist etwas auf einem Regal, etwas Vollständiges, Geordnetes, Rationales – kein fortwährendes Sich-Plagen und Verzichten. Erst ist er fast 1500   Meilen zu Fuß gegangen, und nun streckt er kaum je die Beine aus. Den Schreibtisch verläßt er nur für den täglichen Verdauungsspaziergang – natürlich mit Edwards an der Seite – oder für die raren öffentlichen Auftritte unter Sir Josephs Ägide. Und wenn er sich einmal sträubt, ist Edwards sofort zur Stelle und erinnert ihn an seine Pflicht.
    Schlußtermin ist Juni. Dann soll er die Kurz-Version fertig haben und wird frei sein, nach Selkirk zu fahren – zu Ailie. Ailie. Sie treibt verschwommen durch seine Gedanken wie eine Insel im Meer, eine Oase in der Wüste. Sie ist Liebe und Leben und moralische Stärke, ein Puffer gegen die lange Nacht Afrikas und den verführerischen Strudel der Prominenz. Wie hatte er sie vergessen können? Der Gedanke verfolgt ihn, während er die Londoner Knechtschaft durchleidet, ein Sklave des Schreibtisches, des Papiers,des Wortes. Ihre Briefe werden zunehmend kühl und distanziert, seine sind seltener, als es nötig wäre (wenn man sich Tag und Nacht durch ein Gewirr von Wörtern windet, woher soll da die Muße zum Briefeschreiben kommen?). Er weiß, daß er sie verletzt und gekränkt, die Arbeit vor das Vergnügen gestellt hat und all das, und insgeheim nagt auch Scham in ihm wegen seiner Tändelei mit der Baronesse. Er kommt sich wie ein Hund vor, wie irgendein leichtfüßiges Tier mit dunklen Trieben und Paarungsinstinkten, wie eine Hyäne, der es in den Hoden gärt und die mit dem Rudel heult. Dann aber, voller Heimtücke, fährt ihm das Bild der Baronesse durch den Kopf wie der Dufthauch des Eros, ihre Brüste und ihr Busch, die Haare in ihren Achseln, ihre gespreizten Beine. Die Baronesse mit Ailies Gesicht, Ailie mit dem Gesicht der Baronesse – weiß er überhaupt noch, wie Ailie aussieht?
    Es ist eine Qual. Doch eine Qual, die enden muß, enden wird – die wirklich endet, Seite um Seite. Er blickt vom Papier auf, und vor ihm entsteht ein Gaukelbild: Ailie in der Tür ihres Vaterhauses, in seiner Hose regt es sich, er führt sie hinaus in den Garten, blühende Blumen und der Duft des Flieders   … dann aber verschwimmt alles, und er starrt wieder auf das Blatt, die Buchstaben werden langsam scharf, I-Tüpfelchen und schlingernde S-Schleifen , Wörter flitzen über die Seite wie Soldaten, formieren sich widerspenstig und feindselig gegen ihn, umzingeln ihn, glotzen ihn an, werfen ihn nieder.

DIE HEIMKEHR
    Am Nachmittag um vier Uhr

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