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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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in der Stadt herumrennt wie ein niederer Primat, dem es in den Eiern juckt.
    Zwei Wochen geht das nun schon so – sehr zum Nachteil der Arbeit an Ihrem Buch, wie Mr.   Edwards mir berichtet.» Banks’ Miene wird etwas milder. «Wir müssen doch unseren fördernden Mitgliedern etwas vorlegen, Mungo. All den braven Leuten, die das Geld aufgebracht haben, damit Sie diesen Ruhm erringen konnten, der Ihnen so rasch zu Kopf gestiegen ist. Wird es nicht langsam Zeit, daß Sie sich hinsetzen und es ihnen vergelten?»
    Er erhebt sich und schlurft hinüber zur Kredenz, um sich nachzuschenken. Dann fügt er wie als nachträgliche Erklärung hinzu: «Schließlich verlangen die doch bloß Wörter von Ihnen.»
     
    Wörter. Sie verfolgen ihn Tag und Nacht, während seiner Korrektursitzungen mit Edwards, Frühstück, Tee und Abendessen, er kaut Wörter über Goldbutt und Geflügel, ringt sie sich ab in der Stunde des Wolfs, zerrt sie aus den hintersten Winkeln der Erinnerung wie Stücke gehärteter Knete   … Wörter, die einander bekriegen wie verstimmte Instrumente, ohne Rhythmus, kakophonisch   … Wörter, die sich in Sätzen verheddern und die Gedanken verfilzen, bis er vor Wut und Verzweiflung die Feder hinknallt. Nie hätte er gedacht, daß das Buch eine solche Schinderei würde. Nach der harten körperlichen Herausforderung Afrikas und dem schwindelerregenden Wirbel der Berühmtheit ist es sein allerletzter Wunsch, am Schreibtisch zu hocken und Wörter zu drehen und wenden wie ein professioneller Scrabblespieler.
    Immerhin hat er Edwards. Bryan Edwards, der Schriftführer der Afrika-Gesellschaft, kümmert sich auf Sir Josephs Wunsch um ihn. Präzise, logisch denkend und gründlich. Er weicht dem Entdeckungsreisenden mit Tips, gutemZureden und allerlei Änderungsvorschlägen nicht von der Seite. Manchmal übernachtet er auf einem Feldbett im Gästezimmer. (Auf Drängen und Kosten der Gesellschaft hat Mungo sich in London eine Wohnung genommen.) Dennoch – so emsig und hilfreich sein Privatsekretär auch sein mag, morgens schafft es Mungo irgendwie kaum aus dem Bett. Jede Zelle seines Körpers sträubt sich. So liegt er da und fühlt sich ausgelutscht, eine leere Hülse, hohl und vertrocknet. Es ist ein altes, aber vertrautes Gefühl, der furchtbare, niederschmetternde Weltschmerz des Jungen, der in dem Bewußtsein aufwacht, daß er seine Lateinaufgaben nicht fertig hat.
    Eines Nachmittags, die schwache Wintersonne ergießt sich wie Milch durchs Fenster, dreht er sich zu Edwards um und fletscht die Zähne. «So, jetzt reicht’s mir», sagt er, schiebt den Stuhl zurück, springt auf und rennt im Zimmer herum. «Es ist mir verdammt egal, ob man mir das Gehalt streicht und mich hier rausschmeißt, ich kriege kein Wort mehr zustande.»
    Edwards sitzt am Tisch vor einem wüsten Haufen zerrissener, vergilbter Zettel, die nur aus einem umgekippten Papierkorb stammen können. Er trägt eine Brille und hat die dünnlippige Miene und den wäßrigen Blick des Schreiberlings. Momentan wühlt er in dem Stapel zerknüllter Papiere   – Mungos im Zylinderhut gerettete Originalnotizen   –, weil er einen Hinweis auf die Frau des Neffen von Tiggity Sego sucht, von dem Mungo behauptet, er sei bestimmt dabei.
    «Ich sag dir was», schreit der Entdeckungsreisende. «Lieber lasse ich mich noch mal von den Mauren foltern, auspeitschen und geißeln und mit dem Gesicht nach unten in meiner eigenen Kotze fesseln, als daß ich hier den Rest des Abends zubringe wie ein dummer Schuljunge!»
    Edwards fixiert ihn über die Brille hinweg mit feuchten, rotgeäderten Augen. «Finde dich doch endlich damitab, alter Junge: Du bist jetzt eine Berühmtheit und hast Verpflichtungen vor der Öffentlichkeit. Du weißt doch so gut wie ich, daß zu großen Entdeckungen sorgfältige Studien genauso gehören wie die Wüsten und Dschungel.» Er zieht eine Taschenuhr aus der Weste. «Außerdem machen wir in etwa einer Stunde sowieso Teepause.»
    In diesem Moment klopft es an der Tür. Der Hausdiener kommt mit einer Visitenkarte auf dem Tablett herein. «Baronesse von Kalibzo.»
    Edwards erblaßt bei dem Namen. Beim Entdeckungsreisenden dagegen beschleunigt sich der Atem, und sein Gesicht macht eine verräterische Verwandlung durch – die Pupillen werden enger, die Nasenflügel weiten sich, an der Basis des Kiefers beginnt ein Muskel zu zucken   –, bis er aussieht wie ein hirnloser Hengst, der eine brünstige Stute beschnüffelt.
    Blitzartig ist Edwards an

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