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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Kringel auf der Wasseroberfläche. Ned zögerte keinen Moment. Er wurde zum Akrobaten, zum Adler. Als er in die Höhe schoß, staunte er selbst über seine Kräfte, dann lag er auf der Uferböschung, pitschnaß und zitternd, schnaufte nach Atem wie eine Dampfmaschine. Seine Gedanken rasten. Er sah Billys Gesicht, das von Shaddy Walters, von Jonas, von M’Inelli. Die Angst packte ihn im Zangengriff: Irgendwie, mit Gewalt oder List, mußte er Park umpolen.
     
    Eines Nachts, vor den Toren eines Dorfs namens Bangassi, kauert Ned neben dem Wachfeuer, trocknet sein Hemd an einer Stange und dudelt verträumt auf Scotts Klarinette. (Eine Bemerkung zur Klarinette: der Entdeckungsreisende hatte gemeint, ein wenig Musik wäre doch eine gute Idee, süße Melodien, um die einheimischen Neger zu besänftigen und den Nachzüglern der Karawane ein Zeichen zu geben, sie heimzuleiten wie verirrte Schafe. Als er feststellte, daß Scott vor Mattigkeit kaum stehen, geschweige denn einen Triller blasen oder eine Viertelnote aushalten konnte, bat er um Freiwillige. Alles murrte. Es meldetesich Ned, immer erpicht auf eine Chance, sich beliebt zu machen.) Die Nacht ist dumpfig, ein leichtes Nieseln schwebt herab wie der Atem gefallener Engel. Jemmie Bird, der als Zweiter Wache hat, schläft tief und fest zu Neds Füßen; die anderen wimmern und schnarchen in ihren modrigen Zelten.
    Es ist unnatürlich still. So still, daß Ned die einzelnen Tröpfchen zu hören meint, wie sie durch den Nebel niedersegeln. Gerade hat er eine bewegende Darbietung seines altbewährten Paradestücks,
Greensleeves
, geliefert – der letzte traurige Ton hängt noch kristallen in der Luft   –, da schreckt ihn ein leises, hartnäckiges Zischeln auf; es wiederholt sich ständig und kommt von irgendwo neben den Zelten. Er dreht den Kopf, sieht angestrengt hin: Ruft ihn da jemand?
    Das Licht des Feuers ist unstet, es nimmt zu und ab wie das träge Klatschen von Wellen gegen einen Pier, aber doch, ja, da drüben ist jemand, hinter dem Kommandozelt. Er steht auf und macht behutsam und neugierig ein paar Schritte darauf zu. Aber Moment mal. Es könnte ja Smirke sein, der Dreckskerl, der ihm dort auflauert. Er stellt die Füße nebeneinander und beugt sich vor, sucht die Schatten ab. «Hallo?» ruft er und rechnet halb damit, daß ihn einer der Jungs unter Gelächter anspringt   … andererseits sind alle viel zu geplättet, um Spielchen zu treiben – sie müssen sich ihre Energie fürs Sterben aufsparen. Er will gerade noch einmal rufen, da begreift er alles, als er es plötzlich sieht – dieses Gesicht – dasselbe, das ihn vor vierzehn Tagen aus den Dornranken angestarrt hat. Aber nein, da sind ja zwei, nein, drei. Und wieder dieser Ton, eine Art
sssst
, rufen sie etwa nach ihm?
    «Jemmie!» flüstert er und tritt seinen schlafenden Gefährten in die Seite.
    «Ma!» fährt Jemmie abrupt hoch. «Mama!»
    Als Ned wieder aufblickt, sind die Gesichter verschwunden;Jemmie Bird reibt sich die Augen und murmelt ununterbrochen etwas von einem «wüsten Traum»: «Hab geglaubt, ich wär zu Hause in Wapping und hätt an die Titten von meine Mammi gesaugt – das war ’n Schreck, sag ich dir.» Eine Zeitlang herrscht nachdenkliches Schweigen, die Flammen züngeln in die Luft, dann lacht Bird laut auf – «Ha!»   –, als hätte er gerade einen guten Witz über sich selbst gemacht; sein Kopf sinkt schon wieder auf die Brust, und der erste einer anschwellenden Serie von Schnarchtönen raspelt in seiner Kehle.
    Bibbernd legt Ned das Instrument weg und packt seine Muskete. Er will gerade in das Dunkel losgehen und sich seinen Dämonen stellen, da legt sich ihm auf einmal eine Hand auf die Schulter, und er wirbelt in Panik herum, doch dort sieht er nur den verblüfften Serenummo, einen der Diener des Nigger-Dolmetschers. Aber wo ist der bloß hergekommen?
    E ning somo, merhaba
, sagt der Sklave.
    Ned erwidert den Gruß. Er und Serenummo haben sich ein wenig angefreundet, rauchen hie und da eine Pfeife miteinander und plaudern ein bißchen auf mandingo – Ned, um seine Sprachkenntnisse zu verbessern, und Serenummo, um den Weißen mit den Katzenaugen über die Wunder von Enga-lond und das Große Salzmeer auszufragen. Jetzt aber packt Ned den Sklaven am Ellenbogen, bevor der sich noch ans Feuer setzen kann. «Du, hast du vor einer Minute da drüben irgendwas gesehen?»
    Serenummo ist groß und ziemlich muskulös, an seinen Armen treten die Venen hervor wie Würgelianen an

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