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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Kobraköpfen, kommt näher. Ned deutet auf den schlafenden Smirke. «Kleines Geschäft?» fragt er auf mandingo. Der Kannibale taxiert den großen, sonnenverbrannten Mann auf dem Boden, dann wirft er Ned einen Blick zu. Seine Zähne scheinen zu mahlen, und er unterdrückt mit Mühe ein Zittern der Vorfreude. Plötzlich liegt in seinem Gesicht eine Frage, ein Flehen, und er hält drei Finger hoch.
    Anfangs ist Ned verwirrt   … doch dann begreift er. Der Maniana fragt, ob alle drei zu verkaufen sind – Bird und Frair ebenso wie Smirke. Einer der anderen ist jetzt vorgetreten, schmächtig und ausgehungert, er mustert die Schlafenden wie eine Hausfrau Hähnchen am Geflügelstand. Nein, winkt Ned heftig ab, und er hebt nur einen Finger in die Höhe, bevor er nochmals auf Smirke zeigt. Der Anführerwirkt leicht enttäuscht, sein wölfisches Grinsen zuckt kurz, doch dann sagt der andere etwas, knapp und tonlos, und beide nicken heftig mit dem Kopf, wie Aasvögel, die auf einen Kadaver einhacken: abgemacht.
    Ned sieht aus dem Dunkel zu, wie die fünf den schlummernden Smirke schweigend mit Hanfstricken fesseln, ihn wie eine Mumie einwickeln. Als sie ihn dingfest haben, schlägt der mit dem Kobrakopf-Halsband Smirke in das breite, schnurrbärtige Gesicht, um ihn hellwach zu machen, gleichzeitig stopft er die rosa Knospe des sich öffnenden Mundes mit einem Knebel aus Baumwolle und Bienenwachs. Smirke spannt sich gegen die Fesseln, als sie ihn wegschleifen, verschnürt wie ein Schwein zum Schlachten, eine Kette von wüsten Protesten und Hilfeschreien bleibt tief in seiner Kehle stecken. «Mmmmmmmmmmmm», stöhnt er, «mmmmmmmmmmm», als nähme er gerade zu einem Abendessen bei Kerzenschein Platz.
    Hingerissen kommt Ned immer näher, verhängnisvoll angezogen wie eine Motte vom Licht, bis er sich ruckartig zusammenreißt – wenn er nicht aufpaßt, endet er zusammen mit Smirke im Topf. Auf einmal wirbelt Kobrakopf herum, sein eines Auge zuckt, die Lippen sind zu einem geilen, ruchlosen Grinsen verzogen, dem Grinsen zwischen Verschwörer und seinem Kumpan. Ned schreckt zurück, als der Wilde die Hand ausstreckt. Aus dieser Nähe ist der Geruch des Mannes unerträglich: Ned möchte sich die Kleider herunterreißen, laut brüllend durch den Wald rennen, Blut schlürfen. Der Maniana hat etwas in der Hand, einen schwarzen Lederbeutel, klein und glatt wie eine Birne. Nimm, bedeutet er ihm, indem er ihm zunickt und den Arm ausstreckt. Ratlos greift Ned nach dem weichen schwarzen Sack, dann wird ihm mit einem Schwall trunkener Freude klar, daß dies sein Lohn ist – Judas Ischariot   –, und er lacht tief im Innern, als er den Beutel in dieTasche schiebt. Er fühlt sich böse, machtvoll, erregt. Ein Partner der Dämonen und Teufel und Wesen der Nacht.
    Er tritt auf Smirke zu und sieht ihm direkt in die Augen. Der schwere Mann liegt da wie ein Baby mit Bart, sein Mund kämpft mit dem Knebel, er reckt den Hals, die Arme sind dicht an den Körper gezogen, wie in frische Leinenwindeln gewickelt. Sehnen wölben sich an seinem Kiefer, in seinem Hals bläht sich nutzlos der Atem. Und diese Augen: sie zucken wild von Gesicht zu Gesicht, starr und voller Entsetzen, bis sie sich mit einem Blick von Zorn und Haß und restloser Hoffnungslosigkeit auf Ned heften. Ned antwortet mit einem Zwinkern, hebt die Hand und wackelt mit zwei Fingern wie eine alte Jungfer, die ihre Busenfreundin im Hafen verabschiedet. Und dann, als die Sonne über den Hügeln aufsteigt, heben sich seine Mundwinkel zu einem spöttischen Lächeln.

AUS DEM TAGEBUCH DES ENTDECKUNGSREISENDEN
    Bambakou am Niger
    19.   August 1805
    Endlich, nach all dem Drangsal und Leid, sind wir am Ziel: ich danke dem Herrn, der mich unter Seinem Schutzschirm geleitet und mich leben ließ, um den Kopf ein zweites Mal im Niger zu benetzen und wiederum dem süßen Schwirren seiner Musik zu lauschen, das an meinem Ohre vorüber rauscht. Was für ein glorreicher Strom, wie er übergeht vor der kostbaren Last des Monsuns, schwarz mit Schlick, weit und majestätisch wie kein Fluß dieser Welt – selbst hier an seinem obersten Laufe.
    Die eine Lection, die uns dieser mühsame Marsch gelehrt, ist die Folgende: Daß es einer Partie von Europäern mit Handelswaaren gelingen möchte, ins Inneredes Kontinents vorzudringen und hierbei ein Geringstes an Zusammenstößen, Dieberey und der Einheimischen Widerwillen auf sich zu ziehen und nicht mehr denn drei oder vier aus fünfzig Mann zu verlieren, so

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