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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Kilo zugenommen. Mit gut vier Zentnern war sie unwiderstehlich. Dassoud entschloß sich zum Zuschlagen.
    Er überrumpelte Ali in der Nacht, so wie Ali sechzehn Jahre zuvor seinen eigenen Vorgänger überrumpelt hatte. Den nubischen Wächter auszuschalten und Ali den Kopf vom Körper zu trennen war kinderleicht und dauerte keine Minute – viel kniffliger war es gewesen, Ali überhaupt aufzuspüren. Der Emir, den die Logik unweigerlich die Nacht erwarten ließ, da der Thronräuber mit Krummsäbel oder Garrotte Benaum durchstreifen würde, hatte sich angewöhnt, möglichst spät schlafen zu gehen und niemandem – absolut niemandem – vorher mitzuteilen, wessenZelt er mit seiner ruhenden Gegenwart auszeichnen werde. Einmal schlüpfte er aus Mohammed Gumsous Zelt, am nächsten Morgen aus Mahmud Ismails. Diese Praxis der Zeltpolonaise wurde schon so lange geübt, daß das Volk des Emirs es als ebenso natürlichen Teil des Tagesbeginns ansah wie den Geruch der qualmenden Kochfeuer.
    Zwei Wochen lang hatte Dassoud diskret jedes Zelt aufgesucht, aus dem der Emir des Morgens aufgetaucht war, und die Diener beobachtet, die Alis Bettzeug bündelten, seine Teppiche zusammenrollten und seine Wasserpfeife abtransportierten. Die Diener wechselten täglich, nur eine Zofe – eine alte Frau, an der die
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herabhing wie ein Leichentuch – war fast jeden Tag da, um nachher sauberzumachen. Dassoud nahm sie beiseite und drohte ihr: Verrate Ali, oder ich zerquetsch dich wie einen Mistkäfer. Sie war eine verkrümmte Dornenstrauchwurzel, ihre Haut fast bleich, ein Auge milchigweiß wie ein Spermaklumpen. Ein schwarz angelaufener Ring blitzte auf ihrer Lippe, als sie den Kopf lachend zurückwarf. «Klar verrate ich ihn», zischte sie. «Mit Vergnügen.»
    Später, nachdem er Alis Kopf auf einen Pfahl mitten im Lager gepflanzt hatte, ging Dassoud zu seiner Königin, das Blut an seinen Händen war noch feucht.
    Mit Fatimas Unterstützung gelang es Dassoud, sich eine breite Machtbasis zu schaffen. Daß sie Alis Witwe war, verlieh ihm in den Augen der Mauren von Ludamar Rechtmäßigkeit; als Schwager von Bu Khalum wurde er blutsverwandt mit dem Stamm der Al-Mu’ta von Jafnu. Das war ein Anfang, und Dassoud machte daraus das Beste. Wo Ali sich mit Rapprochements begnügt hatte, war Dassoud auf aktive Allianz aus; hatte Ali seine Grenzen vor Übergriffen verteidigt, suchte Dassoud diese auszudehnen. Er gab sich große Mühe, Bu Khalum zum ergebenen Vasallen zu machen, dann zog er zu den wilden Stämmen der Il-Braken und der Trasart im Nordwesten und forderte deren Anführerzum Zweikampf heraus. Unbarmherzig und mechanisch machte er einen nach dem anderen fertig.
    Innerhalb eines Jahres hatte Dassoud den Befehl über eine Streitmacht von etwa fünfzehnhundert Reitern; zweihundert unter ihnen wählte er aus, um in seiner Elite-Kavallerie zu dienen. Es waren die besten Kämpfer, die die Wüste kannte. Aus Jafnu und Ludamar und Masina, von den Stämmen Il-Braken und Trasart und Af-Mu’ta traten sie vor Dassouds Zelt an, grausame und geschickte, flinke und behende Athleten, Meisterschützen und hervorragende Reiter. Mit Dassoud, dem Höllenwesen, dem schwarzen
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an der Spitze, durchstreiften sie den westlichen Sahel der Länge und der Breite, von Gedumah bis Timbuktu, zerstampften die Erde und terrorisierten die Fulah, Mandingo und Wolof gleichermaßen. Selbst der mächtige Mansong duckte sich vor ihnen.
    Dassoud war zufrieden. Er war Emir von Ludamar, Gatte und Gebieter von Fatima, Kommandant einer Privatarmee und oberster Schlichter der Wüstenvölker. Er hatte seine Träume erfüllt, seine Ambitionen verwirklicht. Was wollte man mehr? Recht bald entstand bei ihm eine bequeme Routine von Aggression und Erpressung, Raubzügen nach Osten, Westen und Süden, Raubzügen zur Befriedung widerspenstiger Dörfer, zum Erwerb von Sklaven oder Vieh. Raubzügen um des reinen Vergnügens willen. Es war ein schönes Leben. Er war zufrieden.
    So zog er sich bis zu jenem trägen Nachmittag in Fatimas Zelt zurück, badete im reichen Ferment ihres Fleisches, leise Musik spielte dazu, die grelle Sonne und die Schreie des Schlachtfelds waren eine ferne Erinnerung. An jenem Nachmittag wurde diese Idylle von der Nachricht erschüttert, daß weiße Männer –
Nazarini –
in den Sahel zurückgekommen waren. Die Botschaft brachte Ahmed, der einäugige
Bushrin
; er trat respektvoll vor das Zelt und rief leise, aber dringlich nach ihm. Fast im selben

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