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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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völlig durchweichten Somoni versuchten, es ans Ufer zu ziehen.
    Eine Stunde später war alles Geschichte. Die anderen Boote hatten Fackeln herbeigebracht und die treibenden Paddel eingesammelt. Das gekenterte Kanu war an die Küste gezogen und umgedreht worden, man hatte den Entdeckungsreisenden und Ned Rise mit Hilfe von Schreien und Pfiffen gefunden und die Ladung geborgen, die fest mitdem Kanurumpf vertäut gewesen war. Die Feuchtigkeit hatte zwei Fässer mit Schießpulver ruiniert, ein Sack Reis war geplatzt. Was Jemmie Bird anging, so war auch er Geschichte.
     
    In Sansanding war der Entdeckungsreisende mal bei Bewußtsein, mal im Delirium. Entgegen Johnsons Rat hatte er einen Marktstand errichtet – die Moslems scharten sich darum wie knurrende und kläffende Hunde, sie brüllten etwas über Ungläubige, weiße Dämonen und Dumpingpreise – und fast seine ganzen restlichen Perlen, Taftballen und Spielsachen veräußert. Von den Einnahmen wurde Proviant für die große Fahrt flußabwärts bis zum Ozean eingekauft. In der dunklen Hütte des Entdeckungsreisenden wuchs der Berg der Nahrungsmittel stetig an:
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mit Bier und Kalebassen mit Palmwein, Hühner in Weidenkörben, Schnüre mit Zwiebeln, Stockfisch, Eier, Yamwurzeln, Hirse und Mais. Unter dem Kissen ragten getrocknete Feigenbündel hervor, große Klumpen Ziegenkäse hingen von den Deckenbalken und stanken wie die ungewaschenen Socken eines ganzen Regiments. Etwas an dem Geruch klärte Mungos Gedanken, und als er eines Morgens in diesem Gestank erwachte, schüttelte er das Fieber lange genug ab, um Mansong einen zweiten Brief zu schreiben, in dem er seine Hilfe in Form eines seetüchtigen Bootes erbat. Die Antwort des freigebigen Herrschers war mehrdeutig. Der König sieht euer Unternehmen mit Wohlgefallen, sagte der Bote, und er wird euch als fremde Gäste auf seinem ganzen Hoheitsgebiet von Westen bis Osten beschützen. Doch müßt ihr erst das alljährliche Opferfest für Chakalla abwarten, ehe er etwas für euch tun kann. Wartet, wiederholte der Bote, und Mansong wird dafür sorgen, daß man sich um euch kümmert.
    Mungo wartete.
    Die Tage fielen aufeinander, einer auf den nächsten,wie Dominosteine. Es war Oktober geworden, die Regenfälle ließen nun langsam nach. Vergeudete Zeit. Schließlich, nach wiederholten Versuchen, Mansong die Dringlichkeit seiner Bitte klarzumachen, beschloß der Entdeckungsreisende, auf eigene Faust zu handeln; er schickte Johnson und Ned Rise flußabwärts, um das größte Kanu zu erstehen, das sie finden konnten. Aber anscheinend wollte ihnen niemand ein Fahrzeug zum Verlassen des Landes verkaufen, solange Mansong nicht selbst die Erlaubnis dazu gab. Johnson schwenkte klickende Säcke mit Kauris – eine märchenhafte Summe   –, doch die Fährleute senkten nur die Köpfe und sahen weg.
    Für den Entdeckungsreisenden war die Lage verzwickt. Sollte er auf Mansongs Wohlgefallen warten, während der Wasserspiegel sank und die islamischen Händler weiter gegen ihn agitierten? Sollte er die Bestechung überbieten? Die Somoni anheuern, ihn nach Djenné zu bringen, und dort nochmals sein Glück versuchen? Schwimmend davonkommen? Leider brachte die ganze Anspannung das Fieber zurück, und er quasselte zwei Tage lang wirres Zeug, über das Dekolleté der Baronesse und den Mops von Lady Banks, seinen starken Bizeps und seine Treffsicherheit beim Torschuß, und darüber, wie der Name Park in der Geschichte fortleben werde, berühmter als jeder andere. Als er wieder zu sich kam, nahm er eine so große Dosis Kalomel, daß er tagelang weder essen noch schlafen konnte. Gerade in dieser wilden, wirbelnden Phase von erweiterten Sinnen und intensiver Reizung kam er auf die Idee, zum ursprünglichen Plan zurückzukehren und selbst ein Fahrzeug zu konstruieren, trotz der offenkundigen Beschränkungen durch das Fehlen von Material und gelernten Handwerkern.
    Von diesem Gedanken durchdrungen, sprang er auf wie ein Mastiff und ging zu dem Zelt, wo der einzige überlebende Zimmermann im Delirium lag. «Joshua Seed», sagteer dröhnend wie ein Gott, «erhebe dich vom Krankenlager und bau mir ein Boot!»
    Der sieche Mann streckte die knochigen Hände aus, und Mungo half ihm vom Feldbett hoch. Im Gefängnis von Portsmouth hatte Seed den Entdeckungsreisenden durch seine von der Arbeit gestählte Statur und seine klaren Augen beeindruckt. Jetzt sah er aus wie ein alter Herr mit Verdauungsbeschwerden und bewegte sich auch so. Mit hängenden

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