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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Monat war es dem zunehmend genesenden Entdeckungsreisenden mit Unterstützung von Ned Rise, Fred Frair und Abraham Bolton gelungen, ein halbwegs taugliches Boot zusammenzubauen , 12,20   m lang und 1,80   m breit, mit flachem Kiel und nur 30   cm Tiefgang bei voller Ladung (M’Keal und Martyn verweigerten die Mithilfe, da sie meinten, sie seien als Militärs – «Männer des Schwertes» – angeworben worden, nicht als Arbeiter). Ein rostiger Spieß ragte aus dem Bug der
Joliba
hervor wie der ausgestreckte Arm eines Rugbyspielers, und ein Baldachin aus gebogenen Ästen und einer Doppellage gegerbtem Ochsenleder spannte sich über die halbe Länge des Kahns. Das Dach würde Schatten und Schutz bieten, und das Leder war undurchdringlich für all die Geschosse und Pfeile, dieMungo bei seiner Fahrt auf dem mächtigen Niger in unbekannte, aber wohl zweifellos feindselige Stammesreiche im Osten auf sich ziehen mochte.
    Zusätzlich traf der Entdeckungsreisende auch gewisse Offensivmaßnahmen, indem er das Schutzdach in gewissen Abständen mit kleinen Fenstern versehen ließ, so daß man bei Bedarf aus der Deckung feuern konnte, und jeder der ihm verbliebenen Soldaten wurde mit fünfzehn neuen Charleville-Musketen ausgerüstet, die Tag und Nacht geladen, gespannt und zündfertig zu sein hatten. Diesmal würde niemand Mungo Park aufhalten – weder Maure noch Maniana, und auch keine sonstigen unangenehmen Zeitgenossen, die sie unterwegs treffen mochten. Nein, bei der ersten Expedition hatte vielleicht der Grundsatz gegolten, die andere Wange auch noch hinzuhalten, jetzt aber lautete die Parole
Guerra cominciata, inferno scatenato
: Hat der Krieg begonnen, ist die Hölle entfesselt.
    Etwa zu diesem Zeitpunkt, als das Boot kalfatert, verschalkt und mit Proviant beladen war und der Entdeckungsreisende seine Geschäfte in Sansanding zum Abschluß brachte, entzweite er sich mit Johnson.

EIN FUNKEN VERSTAND
    «Das Ganze gefällt mir nicht», hatte Johnson bei ihrer Ankunft in Sansanding gesagt. «Wollen Sie es wirklich durchziehen?» hatte er gefragt, als das Schiff langsam Gestalt annahm. Und als die
Joliba
endlich zur Abfahrt bereit war, hatte er den Entdeckungsreisenden beiseite genommen und ihm gesagt: «Sie sind ja verrückt.»
    Am Abend vor dem Lichten der Anker trat er in Mungos Zelt und verkündete, daß er umkehren wolle. «Jetzt ist es soweit», sagte er. «Ich seh dich heute zum letztenmal. Hören wir auf mit dem Gequatsche, Mungo. Schluß mit Isaaco, Schluß mit Mr.   Park. Du redest mit Johnson – deinemalten Freund und Gefährten, deinem Ratgeber   –, und ich sage dir, du solltest es dir noch mal überlegen, du solltest nicht losfahren.»
    Der Entdeckungsreisende saß hinter seinem provisorischen Schreibpult inmitten eines Durcheinanders von angefangenen Briefen, Tagebuch-Eintragungen und groben Kartenskizzen. Abgesehen von der Unordnung auf dem Pult war das Innere des Zelts mit rigoroser Präzision eingerichtet. In der Ecke, gepackt und bereit, lag der Tornister mit Mungos persönlicher Habe; daneben, in Lederfutteralen geschützt, der Sextant, die Thermometer und die getrockneten Stengel, Blätter und Schößlinge, die er zur Bestimmung nach England mitzunehmen plante. Die Lebensmittel waren schon alle säuberlich im Kiel der
Joliba
gestapelt, nur ein leiser Duft nach Ziegenkäse und Hühnerkot zeugte noch von ihrem kürzlich erfolgten Abtransport. Sogar der Boden war blitzblank gefegt.
    Ein Augenblick verging – acht hämmernde Herzschläge. Johnsons mahnende Worte hingen im Raum wie die Erinnerung an einen Verstorbenen, während der Entdeckungsreisende, der nur in der Unterwäsche dasaß, durch ein Nadelöhr blinzelte und mit der Zungenspitze einen Faden anfeuchtete. Er sah nicht einmal auf.
    «Ich meine es ernst, Alter», sagte Johnson. «Ich gehe mit Serenummo und Dosita und den beiden Dembas nach Dindiku zurück – und zwar morgen. Und wenn du einen Funken Verstand hast – nur bin ich mir inzwischen ziemlich sicher, daß das nicht der Fall ist   –, dann kommst du mit.»
    Mungo bemühte sich, einen fünfzehn Zentimeter langen Riß im Hosenboden seines nankingseidenen Beinkleids zu vernähen, aber er zitterte dermaßen, daß er den Zwirn nicht einfädeln konnte. Es war frustrierend. Schlimm genug, daß er ständig herumrennen mußte, um das Boot zu beladen und die Männer einzustimmen, ohnedabei zu wissen, ob er einem Triumph oder einer Niederlage entgegenfahren werde, aber diese verfluchte

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